Zwei Jahren nach der Machtergreifung der Taliban Wie Afghanen in Hessen ein Zuhause gefunden haben

Heute vor genau zwei Jahren schaute die Welt nach Kabul. Fast kampflos hatten die radikal-islamischen Taliban die Macht in Afghanistan wieder übernommen und kontrollieren seitdem das Land. Viele Afghanen sind geflüchtet, auch nach Hessen.

Afghanische Ortskräfte sitzen an Bord eines Flugzeug der Bundeswehr
Afghanische Ortskräfte sitzen an Bord eines Flugzeug der Bundeswehr Bild © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Marc Tessensohn
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Bis vor zwei Jahren war Alema Alema stellvertretende Ministerin in Afghanistan und zuständig für Menschenrechtsfragen. Sie erinnert sich genau an den Tag, als die Taliban nach Kabul kamen: “Um 12 Uhr am 15. August fingen die Schießereien an und über 300 Kolleginnen und Kollegen im Ministerium waren in Panik. Nach 10 Minuten war das Ministerium total leer.“

Für Frauen ist die Lage besonders schlecht

Auch sie verließ das Ministerium, schloss es ab und ging nach Hause. Sie hat es seitdem nie wieder betreten. Drei Tage später konnte sie mit einer Bundeswehrmaschine nach Deutschland flüchten. Jetzt arbeitet sie in Frankfurt für die Organisation Pro Asyl und beobachtet von hier aus die Lage in ihrer Heimat - gerade auch die Lage der Frauen: "Frauen dürfen nicht arbeiten, sie dürfen nicht die Universität besuchen und Frauen dürfen nicht einmal in ein Taxi steigen ohne männliche Begleitung.

Familien waren aus Angst in Kellern versteckt

Auch für Ramin Mohabat war der 15. August 2021 vor zwei Jahren ein schwarzer Tag. In Hofheim am Taunus erlebte er, wie Afghanistan in die Hände der Taliban fiel: "Ich habe den ganzen Tag vor dem Fernseher gesessen und nur Nachrichten geguckt. Ich hatte damals Familie in Afghanistan und ich habe an diesem Tag meine Hoffnung verloren.“

Zitat
Ich habe an diesem Tag meine Hoffnung verloren Zitat von Ramin Mohabat
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Mohabat ist vor sieben Jahren als Flüchtling nach Hofheim gekommen, arbeitete unter anderem als Fotograf. Seine beiden Brüder lebten aber noch mit ihren Familien in der afghanischen Millionenstadt Herat: "Sie waren drei Monate in einem Keller versteckt. Ich habe gedacht, die müssen jetzt raus, die haben für die Regierung gearbeitet. Ich habe dann angefangen, den ganzen Papierkram zu erledigen.“

Die Bürokratie macht den Familiennachzug nicht leichter

120 Seiten Formulare habe er ausgefüllt und am Ende dauerte es ein Jahr, bis seine Brüder mit ihren Familien mit dem einem Aufnahmeprogramm für Afghanen, die für westliche Organisationen gearbeitet hatten und deshalb auf den schwarzen Listen der Taliban stehen konnten, nach Hofheim nachziehen konnten. Insgesamt rund 40.000 Menschen wollte die Bundesregierung nach eigenen Angaben aufnehmen, noch immer nicht haben es alle nach Deutschland geschafft. "Ich muss sagen, dass Deutschland viel gemacht hat und viele Leute rausgeholt hat. Aber dieser Prozess ist sauschwer und bürokratisch.“

Solange die Taliban herrschen ist Hessen eine neue Heimat

Was in Afghanistan gerade passiert, macht Mohabat einfach nur traurig. Er sagt, er habe sich zu 80 Prozent von seiner alten Heimat losgesagt: "Ich würde sagen, ich liebe Hofheim wie meine Heimat. Ich würde niemals nach Hause gehen.“

Jedenfalls nicht, solange dort die Taliban herrschen, so Mohabat. Und genauso geht es Alema Alema, die bis vor zwei Jahren selbst noch der afghanischen Regierung in Kabul angehörte.

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Quelle: hr-iNFO/kat