Auf der Mauer in Bethlehem, die Israel vom Westjordanland trennt, haben sich zahlreiche Künstler mit Graffiti verewigt.

Wenn Touristen um die Weihnachtszeit nach Bethlehem reisen, zieht es sie oft auch an die Mauer, die Israel vom Westjordanland trennt. Denn neben lokalen Künstlern hat sich dort auch der britische Streetart-Künstler Banksy verewigt. Was für die einen eine Touristen-Attraktion ist, ist für andere jedoch ein Mittel des Protests gegen die israelische Besatzung. Und so gibt es auch den Vorwurf, dass manche aus dem Konflikt Profit schlagen.

Mit einer Spraydose sprüht Taqi Sapateen ein Peacezeichen an die acht Meter hohe Betonmauer, die den Norden von Bethlehem im Westjordanland von Israel trennt. Der palästinensische Künstler weiß, dass er beobachtet wird - von israelischen Soldaten im Wachturm wenige Meter entfernt. "Manchmal rufen Sie 'hallo, was machst Du da, geh da weg, klettere nicht da hoch.'", erzählt er. "Aber ich mache weiter, mich interessiert das nicht."

"Das Gesicht der Besatzung"

Sapateen, der hier aufwuchs, kannte Bethlehem ohne Mauer. 30 Kilometer ist sie lang. Sie gehört zur 700 Kilometer langen Sperranlage, die Israel vom Westjordanland trennt. Israel hat sie nach der zweiten Intifada im Jahr 2002 ausgebaut, um sich vor Anschlägen zu schützen. "Für uns Palästinenser ist sie das Gesicht der Besatzung durch Israel", sagt Sapateen. "Sie besetzt unsere Gedanken. Jeden Tag beschäftigen wir uns damit, wie viele Menschen in Nablus, Jenin oder Bethlehem sterben. Ich würde lieber die schöne Landschaft, das Heilige Land malen. Aber ich habe das Gefühl, politische Kunst machen zu müssen."

Der palästinensische Künstler Taqi Sapateen


 

Sapateen deutet auf das überlebensgroße Graffiti von Shireen Abu Akleh, der getöteten Al Jazeera-Reporterin. Die Palästinenserin mit amerikanischer Staatsbürgerschaft wurde im Westjordanland durch israelische Soldaten getötet. Auf dem Mauergraffiti trägt sie eine blaue Presse-Weste mit der Aufschrift Gerechtigkeit. Auch einen Soldaten mit einer Ku-Klux-Klanmaske über dem Kopf und einen mit einem leuchtenden Kürbiskopf hat er an die Mauer gesprüht. In einem anderen Bild reißt ein Bulldozer ein arabisches Haus ein. In seinen Graffiti greift Sapateen oft aktuelle Ereignisse auf.

"Sprayer kamen ein halbes Jahr ins Gefängnis"

"Graffiti waren aus israelischer Sicht ein Verbrechen", erzählt Wisam Salsaa. Seit fünf Jahren betreibt der Palästinenser das "Walled Off Hotel" gleich gegenüber der Mauer. Während der ersten Intifada, die 1987 begann, hätten die Palästinenser Protestsprüche an Mauern geschrieben und die Öffentlichkeit dort über Aktionen informiert. Es habe damals schließlich noch keine sozialen Medien gegeben. "Sprayer kamen ein halbes Jahr ins Gefängnis. Ich kenne Leute, die erschossen wurden, weil sie an eine Mauer geschrieben haben."

Eröffnet wurde das "Walled Off Hotel" vom britischen Künstler Banksy, der hier seine Werke ausstellt. Am Eingang steht "Die Narbe von Bethlehem" - das Weihnachtskunstwerk von Banksy aus dem Jahr 2019. Die Heilige Familie sitzt an der Krippe. In der Mauer hinter ihnen befindet sich ein Loch in Form des Sterns von Bethlehem. Weil Banksy seine Identität geheim hält, managt Salsaa den steten Besucherstrom. "Banksy ist mein Freund", sagt er. "Ich habe ihn vor 18 Jahren getroffen, er hat bei mir gewohnt. Als er weg war, fand ich heraus, dass er ein berühmter Graffitikünstler ist." Seit sie das Hotel für Banksy eröffnet hätten, kämen viele Leute und schauten sich die Graffiti an. "Ich habe bemerkt, dass die israelischen Soldaten hier kaum noch ein Problem mit dem Sprühen haben."

"Viel Glück Banksy"

Sapateen ist fertig mit dem Graffiti der Friedenstaube, die einer Falle steckt. Er schaut zum Wachturm. Als ihn die israelischen Soldaten das letzte Mal verhaftet haben, hätten sie ihn verhört und gesagt, seine Sprühflasche durchlöchere die Köpfe der Menschen rund um die Welt, während ihre Kugeln nur die Mauer treffen. Dann zeigt er auf zwei Engel, die nicht weit von seinem Graffiti oben an der Mauer schweben. Ein Banksy. "Seine Graffiti handeln vom Frieden", sagt Sapateen. "Auch falls er damit ein Geschäft macht: Viel Glück Banksy."

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen