Mariela Milkowa mit Neven Subotic

Rauschende Partys, schnelle Autos, ein riesiges Haus mit Jacuzzi – heute blickt Ex-BVB-Spieler Neven Subotić sehr kritisch auf sein früheres Leben. Er gründete vor zehn Jahren seine eigene Stiftung, um Menschen in Afrika den Zugang zu sauberem Wasser zu ermöglichen und Brunnen zu bauen.

Neven Subotic besitzt kein eigenes Auto. Seine Freundin hat eines, das er sich mit ihr teilt. Am liebsten fährt er aber mit dem Zug und nutzt dafür auch das 9-Euro-Ticket. Der Mann, der einst Ferrari, Lamborghini und Porsche fuhr. Der Mann, dessen Leben viele Jahre lang, wenn er nicht auf dem Platz stand, aus Partys, angesagten Klamotten und Jetset bestand.

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„Ich bin bei weitem kein Heiliger, ich nehme das Kompliment zwar an, aber ich mache viele Fehler. Ich versuche so zu sein, aber scheitere daran.“
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Der Mann ist laut Jürgen Klopp, so schreibt er in dem Vorwort von Subotics 2022 erschienenen Autobiografie „Alles geben“, ein Fußballer, der sich "klick" in einen Heiligen verwandelte. Subotic versteht das Kompliment, sagt er, sehe das aber nicht so: „Ich bin bei weitem kein Heiliger, ich nehme das Kompliment zwar an, aber ich mache viele Fehler. Ich versuche so zu sein, aber scheitere daran.“.

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Der Trainer spielt mit seiner Aussage auf das an, in das Subotic seit zehn Jahren jede Menge Energie steckt: Die Neven Subotic Stiftung. Und die setzt sich dafür ein, dass Brunnen in der Region Ostafrika - im Speziellen in Äthiopien, Kenia und Tansania - gebaut werden und es so Zugang zu sauberem Wasser gibt. In den sehr ländlichen, armen Regionen dort hätten die Menschen nicht die finanziellen Möglichkeiten, um eine Wasser- und Sanitärversorgung zu realisieren, erzählt der ehemalige Profifußballer: „Dafür müssten wir viel fairere Preise dafür zahlen, was diese Menschen nach Deutschland oder in die EU exportieren. Das ist leider sehr schwierig, gerechter zu gestalten.“ Schwierig seien teilweise auch der Zugang und die Umsetzung der Projekte vor Ort, durch Bürgerkrieg und schwelende Konflikte ethnischer Gruppen.

Die Vergangenheit ist auch heute noch relevant

Subotic verstehe diese ethnischen Dimensionen, sagt er, wenngleich er ja nicht im Krieg großgeworden sei: „Aber je älter ich wurde, umso präsenter wurde der Krieg, obwohl er schon längst vorbei war.“ Damit spielt er auf seine Herkunft aus dem ehemaligen Jugoslawien an. Mit zwei Jahren flüchtete Subotic mit seinen Eltern nach Deutschland. „Ich habe erst später verstanden, unter welchen Druck meine Eltern standen, als Bürger zweiten Grades mit einer Duldung von drei Monaten - und dass die Jugend für sie, als sie mit Mitte Zwanzig nach Deutschland kamen, gestohlen wurde."

Der Vater arbeitet auf einer Baustelle, die Mutter als Putzhilfe. Es war nicht immer eine einfache Zeit: „Du musst das Doppelte machen, um das Gleiche zu bekommen wie ein Deutscher, haben mir meine Eltern gesagt“. Die harte Arbeit, der Fleiß und die Zuverlässigkeit, die ihm seine Eltern vorleben, werden später für ihn sein Mantra und essenziell werden. Das Gefühl, „der Jugo“ zu sein, ist an einem Ort in seiner Kindheit nicht vorhanden: „Auf dem Sportplatz waren wir alle gleich.“  Für ein paar Jahre fühlt sich Subotic dort zu Hause, in dem kleinen Dorf im Schwarzwald.

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„Auf dem Sportplatz waren wir alle gleich.“
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Aber Anfang 1999, nach acht Jahren in Deutschland, erreicht die Familie eine tragische Nachricht: Sie werden abgeschoben. Innerhalb von drei Monaten müssen sie fort. Die Familie hat Glück, sie bekommt ein Visum für die USA und muss nicht zurück in das heutige Bosnien-Herzegowina. Da ist Subotic zehn Jahre alt. „Ich musste alle Freundschaften beenden. In dem kleinen Dorf gab es ein Gefühl von Sicherheit und Vernetzung und mit dem Schritt in den Flieger nach Amerika war das weg“, erinnert er sich.

Vom Jetset-Leben zur Stiftung

Knapp sieben Jahre später kehrt er aus Amerika, wo er unter anderem im College-Team der University of South Florida gespielt hatte, zurück nach Deutschland und wird durch seine Zeit bei Mainz, aber besonders bei Borussia Dortmund zum Profifußballer. Sein Leben und sein Alltag bestehen aus Aufstehen, Essen, Training, Videospielen und Partys. Subotic erinnert sich: „Zu dem Zeitpunkt dachte ich, ich bin voll im Soll, das machen andere um mich herum auch. Ich bin nur dem ganzen Wahnsinn gefolgt.“

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„Zu dem Zeitpunkt dachte ich, ich bin voll im Soll, das machen andere um mich herum auch. Ich bin nur dem ganzen Wahnsinn gefolgt.“
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Die Musik, die er gerne hört, Hiphop, hat das beeinflusst: „Man arbeitet tagsüber hart, aber abends gibt’s halt Partys und Autos und die Eltern bekommen eine Wohnung.“ Er dachte damals, so hätte das zu sein.

Heute sieht er das Ganze kritisch. Das sei aber ein langer Prozess gewesen, der mit einer Charity-Aktion für Kinder im Krankenhaus begann, bei der Bilder und Werbeartikel an Kinder in Krankenhäuser verschenkt wurden. Er fängt an, solche doch eher Prestige-Aktionen zu hinterfragen - und denkt darüber nach, was es bedeuetet, ein Multimillionär zu sein und wieso man nicht vielmehr den Kindern mit der Finanzierung von besserem Equipment für das Krankenhaus helfen könnte. Kurze Zeit später, da ist Subotic Anfang 20, schlägt ihm ein Freund vor, eine Stiftung zu gründen. Am Anfang tut er sich schwer mit dem Gedanken, weil er sich mit so etwas noch nie auseinandergesetzt hat. Aber dann sieht er es als Chance, das Gefühl, was er in sich trägt, also etwas tun zu wollen, damit ausdrücken zu können. „Ich war bis dato nur in diesem Fußballuniversum und das war endlich und mit der Stiftung habe ich den Sprung nach draußen geschafft.“

Profifußballer sollten eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung übernehmen

Auf den Profifußball schaut er heute so: Es ist eine besondere Gruppe, ein besonderer Kontext, in dem man dort agiert. Er glaubt, dass alle ein Interesse daran haben, nicht nur darüber zu reden, wer viele Tore geschossen hat, sondern darüber, was nicht läuft. Es ginge um Gesundheit, Fairness und Solidarität. „Von manchen werden Fußballer als Götter verehrt, aber wer jubelt der Putzhilfe zu? Das ist eine Frage der Wertschätzung.“ Besonders Kinder würden sich an Fußballern orientieren. Und letztere müssten deshalb gewisse gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen.

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„Von manchen werden Fußballer als Götter verehrt, aber wer jubelt der Putzhilfe zu. Das ist eine Frage der Wertschätzung“
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Die soziale Rolle sollte wieder stärker in den Fokus genommen werden. „Ich bin Spieler, aber auch Mensch.“ Das könne man zum Beispiel an Marco Reus sehen, der 500.000 Euro der Stadt Dortmund zur Verfügung gestellt hat, um Kleinunternehmen durch die Coronakrise zu helfen.

Und diese Solidarität möchte auch Subotic in der Zukunft weiter zeigen: „Ein bisschen möchte ich dazu beitragen, dass es weniger ungerecht wird“. Mit seiner Stiftung konnte er bis dato schon rund 450 Projekte umsetzen, von denen knapp 180.000 Menschen profitieren. „Es geht für mich darum, das Wissen, die Motivation, das Knowhow und die Mittel, die ich habe, für die soziale Gerechtigkeit einzusetzen und gegen Ungerechtigkeit anzugehen.“ Es ginge aber nicht darum, dass man sich rühme, dass man etwas getan hat. Wichtig sei das, was daraus resultiere.

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Das Interview führte Mariela Milkowa.

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