hessen von oben

Leben Sie in der Stadt oder auf dem Land? Sie werden eine Antwort für sich parat haben. Die Frage ist aber: Ist sie aus Sicht des Landes Hessen auch richtig? Und wie wird eigentlich entschieden, was Stadt, was Land ist – und was es dazwischen gibt?

Wussten Sie, dass Hessen nur zu rund einem Zehntel besiedelt ist? Der Rest aller Flächen ist laut Hessischer Gemeindestatistik 2019, nun ja, vor allem Land: Mehr als zwei Fünftel der Landesfläche werden landwirtschaftlich genutzt. Und fast genauso viel Fläche ist Wald (40 Prozent). Straßen und andere Verkehrsflächen nehmen rund sieben Prozent der Hessischen Fläche ein, Gewässer 1,4 Prozent.

Graue und grüne Flächen

Die Unterschiede in den Kommunen sind allerdings gewaltig: In den kreisfreien Städten Frankfurt, Darmstadt, Kassel und Wiesbaden kommt man auf durchschnittlich 34 Prozent Siedlungs- und 15 Prozent Verkehrsflächen. In Frankfurt sind es sogar fast 21 Prozent der Flächen, die für den Verkehr genutzt werden. Grau statt grün: Entsprechend sind nicht einmal die Hälfte der Flächen in den Großstädten grün. Andererseits gibt es grüne Oase in Hessen, Gebiete also, die überhaupt keine Siedlungen haben, reine Waldflächen ohne Gemeinden sind. Kennen Sie den Gutsbezirk Kaufunger Wald im Werra-Meißner-Kreis oder Michelbach im Kreis Bergstraße? Das sind solche grünen Oasen.

Und Sie, wo leben Sie? Stadt oder Land? Finden wir es heraus.

Stadt oder Land?

Die Wahrheit liegt meist in der Mitte. So auch für die Mehrheit der hessischen Gemeinden. Eine genauere Antwort soll der neue Landesentwicklungsplan (LEP) Hessen 2020 liefern. Er liegt derzeit als Entwurf vor und wird – wenn der Landtag ihn beschließt – die vierte Änderung des LEP Hessen aus dem Jahr 2000 darstellen. Zukünftig sollen die hessischen Kommunen laut des Entwurfs in vier verschiedene Kategorien (statt bisher in drei) unterteilt werden.

Entscheidend ist nicht, wie viel Grau und Grün es in der Kommune gibt oder wie viele Menschen in Ihrer Kommune leben, sondern auch, wie viele dort arbeiten. Das entscheidet letztlich darüber, wie eng – Fachterminus: verdichtet – es um uns herum wird. Zu welcher Kategorie eine Kommune gehört, errechnet sich deshalb zunächst nach der Formel Einwohner + sozialversicherungspflichtig Beschäftigte / Fläche in Quadratkilometern. Oder einfacher: Wie viele Menschen arbeiten und leben hier auf gleicher Fläche. Liegt der Wert unter 150, geht man zunächst von dünn besiedeltem ländlichem Raum (DLR) aus, unter 300 von ländlichem Raum mit Verdichtungsansätzen, unter 700 von verdichtetem Raum und über 700 von hochverdichtetem Raum.

Grafik - ländlicher und urbaner Raum

Umgebung spielt eine Rolle

Damit kein Flickenteppich, sondern ein realistisches Bild von der Situation vor Ort entsteht und etwa Gemeinden, die direkt an Großstädte angrenzen, nicht plötzlich zum ländlichsten Raum zählen, wird die Berechnung durch weitere Kriterien ergänzt. "Harmonisierung" wird dieser Prozess genannt. In ihm kommen Faktoren wie die Bevölkerungsentwicklung, die Lage an überregionalen Entwicklungsachsen und die Ausprägung der Siedlungsstruktur zum Tragen. Verdichtungsräume müssen außerdem eine Mindestgröße von 100.000 Einwohnern aufweisen. Und: "Insellagen" sollen vermieden werden.

Biblis im Süden Hessens zählt deshalb zum urbanen "verdichteten Raum", obwohl die Gemeinde mit einer Einwohner-Arbeitsplatz-Dichte von etwa 250 (schwankt, je nach Berechnungsjahr) eigentlich zum ländlich verdichteten Raum zählen müsste. Weil Biblis aber von verdichteten und hochverdichteten Räumen umgeben ist, wurde hier angeglichen. Außerdem weist Biblis laut Siedlungs-Index eine "eher zentrierte Siedlungsstruktur" auf.

Ein Kriterium, das auch beispielsweise Eppertshausen (nordöstlich von Darmstadt) eine Kategorie städtischer werden lässt. Die Gemeinde mit etwas mehr als 6000 Einwohner zählt gar zum hochverdichteten Raum, weil sie unter anderem eine zentrierte Siedlungsstruktur und eine positive Bevölkerungsprognose (+ sechs Prozent bis 2035) aufweist.

Wozu der ganze Aufwand?

Das zuständige Wirtschaftsministerium nennt eine Vielzahl von Gründen, vor allem aber die Daseinsvorsorge. Egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Alle Bewohner müssen zu jedem Zeitpunkt mit lebensnotwendigen Gütern und Leistungen versorgt sein, und zwar zu sozial verträglichen Preisen. Auch hilft die Kategorisierung dabei, Maßnahmen etwa für die Bau- und Wohn-Situation, Unterstützung für Wirtschaftszweige, Bildungsträger oder die Verkehrs-Infrastruktur zu koordinieren, ohne das Recht auf kommunale Selbstverwaltung einzuschränken. Oder einfacher ausgedrückt: Es lässt sich leichter planen.

Süden urbaner, Norden ländlicher

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Im Ergebnis heißt das für Hessen: 56 Prozent der Kommunen (236 von 421). gehören zum ländlichen Raum. Gemeinsam machen sie 66 Prozent der Fläche Hessens aus. Geographisch lässt sich der Großteil dieser Gebiete im Norden und Nordosten Hessens verorten, während der Süden zu größeren Teilen durch die Rhein-Main-Region aber auch die Metropolregion Rhein-Neckar verdichtet oder hoch verdichtet ist, also als urban eingestuft wird.

Schauen sie doch mal auf unserer Karte,  zu welcher Kategorie Ihre Gemeinde oder Stadt in Hessen zählt:

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Grundlage für Auswertungen Land in Sicht

Für das Projekt "Land in Sicht" zur ARD-Themenwoche "Wie wollen wir leben" haben wir lange nach dem passenden Datensatz gesucht, um eine möglichst sinnvolle Unterteilung der hessischen Kommunen vornehmen und der Frage nachgehen zu können: Was unterscheidet Land und Stadt in Hessen? Was Stadt und was Land ist, entscheiden nicht Klischees und erst recht nicht wir. Der Entwurf für den LEP Hessen 2020 bietet eine nachvollziehbare Grundlage für diese Unterscheidungen. Mit Hilfe der Kategorisierung konnten wir so Daten aus einer Befragung der hessischen Bürgermeister*innen auswerten und aufzeigen, welche strukturellen Unterschiede und Probleme die verschiedenen Strukturräume aufweisen.

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