Schüler der Musikschule Bad Vilbel spielen für die Bewohner eines Altenzentrums.

Wenn wir alte Lieder hören, fühlen wir uns oft in vergangene Zeiten zurückversetzt. Das funktioniert sogar bei Demenzkranken: Musik kann als Schlüssel zu vergessenen Erinnerungen dienen, erklärt der Musikwissenschaftler Arthur Schall.

Morgengymnastik im Johanniter-Haus Dietrichsroth, einem Seniorenzentrum in Dreieich, südlich von Frankfurt am Main. Etwa 15 Seniorinnen und Senioren sitzen im Kreis und trappeln mit den Füßen. Viele sind gehbehindert, etwa 85 Prozent der Bewohner sind dement. Wenn es aber Aktivitäten mit Musik gibt, kommen sie in Schwung und Erinnerungen kehren zurück.

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hr-Thementag Musik

Rund eine Million Menschen in Hessen machen aktiv Musik. Das Zusammenspiel in Vereinen, Orchestern, Chören und Kapellen verbindet. Doch bekommen die Musikszene genug Unterstützung durch die Politik? Und welche Rolle spielt die Musik in Medizin und in Bildung? Solchen Fragen geht der hr an seinem Thementag "Ein Tag für die Musik" nach.

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"Die Lieder sind im Kopf verwurzelt"

Egon Thomaka sitzt mit anderen Senioren der Tagespflege im Hof. Sie genießen das Highlight des Monats: Live-Musik, gespielt von Helmut und Peter Sauer, die mit Gitarre, Bass und Saxophon Schlager der 50-er und 60-er spielen. Sie treten oft in Altersheimen auf und wissen, wie wichtig es ist, dass die Musik zur Biografie, zum Alter der Bewohner passt. "Wenn jemand 85 oder 90 ist, dann kennen 100 Prozent alle 'Seemann, Deine Heimat ist das Meer' und singen alle mit", sagt Helmut Sauer. "Sie haben sofort die Stimmung, diese Lieder sind im Kopf verwurzelt."

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„Wir haben Menschen, die die Sprache verloren haben, aber singen geht.“ Monika Zimmermann, Leiterin der Tagespflegestation im Johanniter-Haus Dietrichsroth Monika Zimmermann, Leiterin der Tagespflegestation im Johanniter-Haus Dietrichsroth
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Monika Zimmermann, die Leiterin der Tagespflegestation, beobachtet die fröhlichen Senioren, die zur Musik schunkeln, klatschen und mitsingen. "Wir haben Menschen, die die Sprache verloren haben, wir haben Menschen, die sprachlich nicht mehr in der Lage sind, regelrecht zu kommunizieren, aber singen geht", erzählt sie. "Oder auch Tanzen. Musik bewegt ja auch."

Alternativer Zugang zu Gedächtnisinhalten

Musik kann Demenz nicht heilen, aber sie kann wie eine Art Schlüssel zu vergessenen Erinnerungen dienen, erklärt Doktor Arthur Schall, Diplom-Psychologe und Musikwissenschaftler am Institut für Altersmedizin der Uniklinik Frankfurt. "Die Gedächtnisinhalte sind ja nicht weg. Nur der Zugang ist durch diesen Verlust an Nervenzellen, an Gehirngewebe verschlossen. Und die Musik bietet einen alternativen Zugang zu Gedächtnisinhalten, die mit bestimmten, musikalischen Inhalten verbunden sind." Die Musik biete also einen Umweg, um an verschüttete oder scheinbar verschüttete Gedächtnisinhalte ranzukommen.

Für Gabriele Roettger, Leiterin des Seniorenheims Dietrichsroth, geht es vor allem um die kleinen Momente des Glücks, die den Bewohnern mit Musik ermöglicht werden können: "Hier kann unser Bewohner positive Erinnerungen an die Musik verknüpfen, können wir für eine halbe Stunde jemanden aus der Depression rausholen, nur mit schöner Musik."

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22. Mai: Ein Tag für die Musik

hr2-kultur möchte die musikalischen Aktivitäten in Hessen fördern und damit die große Vielfalt der musikalischen Vergangenheit und Gegenwart Hessens präsentieren. Das ganze Programm des Aktionstages gibt es hier. [PDF - 5mb]

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