Venezianischer Hafen von Chania

Mehr als 300 Sonnentage, traumhafte Strände und griechische Gastfreundschaft: Kreta ist seit Jahrzehnten ein Sehnsuchtsort vieler Deutscher. Immer mehr Menschen wollen jetzt nicht nur den Sommer, sondern auch den Winter dort verbringen. Das bringt viele Vorteile, aber auch eine Herausforderung.

Yannis Kriaras läuft in Richtung Hafen. Ab und zu hupt ein vorbeifahrendes Auto, Freunde von ihm, die ihn so grüßen. In Chania kennt jeder jeden. Das merkt man vor allem jetzt im Winter, wenn keine Touristen da sind. An der Hafenpromenade reihen sich Bars und Tavernen aneinander, um diese Jahreszeit sind die meisten allerdings geschlossen. Doch ein Café hat noch geöffnet. Im überdachten Außenbereich sitzen ein paar Einheimische und trinken Frappé, aufgeschäumter Instantkaffee mit Eiswürfeln. 

"Nachfrage so groß wie nie zuvor"

Yannis wollte sich hier treffen, weil man einen schönen Blick über den Hafen hat. Er selbst wiederum schaut während des Gesprächs immer wieder auf sein Smartphone, das auf dem Tisch liegt. Es scheint beinahe ohne Unterlass zu vibrieren. "Es ist das erste Mal - mein Unternehmen ist 25 Jahre alt -, dass wir so viel Interesse aus Deutschland und den nordeuropäischen Staaten sehen, um im Winter etwas hier zu mieten. Die Nachfrage in diesem Jahr ist so groß wie nie zuvor." Yannis ist Immobilienmakler mit Büros in ganz Griechenland. Besonders gut laufen die Geschäfte in diesem Winter aber auf Kreta. Seine Kunden schätzten vor allem die angenehmen klimatischen Bedingungen auf der Insel.

Die meisten Wintergäste wollten mehrere Wochen oder gar Monate bleiben, weshalb sie in der Regel eher nach Ferienwohnungen als nach All-inclusive-Hotels Ausschau hielten, so Yannis. Ihm zufolge kommen aktuell vor allem zwei Gruppen von Menschen nach Kreta: Rentner und junge Leute, die digital von überall aus arbeiten können. "Die Rentner sind diejenigen, die ihre Ruhe haben wollen, sie mieten in Dörfern. Die anderen sind oft jüngere Paare, die finanziell besser gestellt sind und sogar für 1.000 und 1.200 Euro pro Monat mieten. Sie ziehen es vor, näher an der Stadt zu wohnen."

Apartment für 450 Euro im Monat

Auch Rebekka Brandt wohnt mitten in Chania. Sie arbeitet für ein deutsches Start-up, das Wein übers Internet vertreibt, und kümmert sich unter anderem um Lager und Logistik, den Einkauf oder den Kundenservice. Sie habe in der Firma während der Corona-Pandemie angefangen und war etwa einen Monat im Büro, bevor es ins Homeoffice ging. "Und dann ist mir aufgefallen: Ob ich in England bin oder in Deutschland im Homeoffice oder in Spanien oder in Griechenland, macht für meine Firma keinen Unterschied."

Elafonisi-Strand auf Kreta

Einige Monate reist sie nun bereits in der Welt herum, eine digitale Nomadin. Seit gut sechs Wochen arbeitet sie von Kreta aus. Sie sei auf die Insel gekommen, weil sie sich für das Ende des Jahres einen Ort aussuchen wollte, "wo es warm ist, wo die Lebenshaltungskosten relativ günstig sind, wo es gutes Internet gibt und wo es eine Community gibt von Expats und anderen Leuten, die auch reisen und arbeiten." Nun wohnt sie zur Untermiete im Apartment eines griechischen Pärchens, das Kreta aus beruflichen Gründen für mehrere Monate verlassen hat. Zwei Zimmer, Küche, Bad, vollständig möbliert für 450 Euro im Monat.

"Das kriegst Du im August nicht"

Dabei war sie zunächst gar nicht sicher, ob ihr die Insel wirklich gefallen würde und wie lange sie bleiben möchte. "Nach ungefähr zwei Wochen hier habe ich aber sofort entschlossen: Ich bleibe hier. Es ist so schön. Die Stadt ist wunderbar, die Leute so ein Wahnsinn, also nicht nur die Expats, sondern auch die Einheimischen. Es ist so freundlich. Das habe ich einfach noch nie erlebt."

Zitat
„Es ist so schön. Die Stadt ist wunderbar, die Leute so ein Wahnsinn. [...] Es ist so freundlich. Das habe ich einfach noch nie erlebt.“ Rebekka Brand, digitale Nomadin Rebekka Brand, digitale Nomadin
Zitat Ende

Mit lediglich einer Sache hatte Rebekka nicht gerechnet: "Ich wusste nicht, dass alles im Winter zumacht." Sie sei etwa zwei bis drei Wochen vor Ende der Saison angekommen, da sei die Altstadt noch voll und die Läden und Restaurants noch offen gewesen. "Ich dachte, das ist so. Und als ich dann angefangen habe, Leute kennenzulernen, wurde mir mehr und mehr klar - 50 Prozent der Sachen machen jetzt zu." Doch vor allem im Hafenstädtchen Chania gebe es immer noch genug Tavernen und Bars – nur eben ohne die vielen Touristen. Und genau das sei das Tolle am Winter auf Kreta, so Rebekka: "Ich war in Elafonisi, das ist ein wunderschöner Strand wo es diesen rosaroten Sand gibt. Und wenn du die Bewertungen liest, dann heißt es da: toller Strand, aber halt wahnsinnig viele Leute. Und wir sind dahingegangen und waren zu fünft. Das kriegst Du halt im August nicht."

Sie wird noch bis Weihnachten in Chania bleiben, dann geht es über die Feiertage zurück nach Deutschland und danach weiter nach Kolumbien. Doch im nächsten Herbst will sie eventuell nach Kreta zurückkehren.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen