Kohlekraftwerk Niederaußem (dpa)

Um den Klimawandel abzumildern, muss CO2 reduziert werden. Doch besonders der Kohleausstieg zeigt: Wir könnten schon viel weiter sein, wenn nicht einflussreiche Interessengruppen aus Wirtschaft, Gesellschaft und Politik auf die Bremse treten würden.

Mit jeder Umdrehung erzeugen die mächtigen Rotoren der Windkraftanlage Strom. Inzwischen decken Windräder fast ein Viertel des deutschen Strombedarfs. Der Anteil könnte noch deutlich höher liegen – wenn die Erneuerbaren Energien weiter wie zu Beginn gefördert worden wären. Laut Umweltbundesamt hätten wir trotz des russischen Kriegs jetzt keine Energiekrise.  

Aber es gab und gibt auch Interessen, dass es nicht zu schnell vorangeht mit dem Klimaschutz. Die Journalistin Annika Joeres nennt sie "die Bremser" und beschreibt sie in ihrem Buch 'Die Klimaschmutzlobby': "Das ist die Gruppe eben aus Managern in der Wirtschaft, aber auch aus Politikern und Politikerinnen, die sich immer dafür eingesetzt haben beispielsweise, dass die Kohlekraftwerke möglichst lange laufen, oder die verhindert haben, dass Erneuerbare Energien ausgebaut werden. Das ist die sehr einflussreiche Gruppe, die in den vergangenen Jahren sehr viele fortschrittliche Dinge verhindert haben."

Eine wesentliche Strategie: Ablenkung

Zur Gruppe der Klimaschutzbremser zählen im Fall der Kohle Konzerne wie RWE, Industrieverbände, Gewerkschaften, aber auch Politiker. Vom Bürgermeister, der noch eine Weile von der Gewerbesteuer profitieren möchte, bis hin zum Minister, der die Förderung der Erneuerbaren Energien zurückfährt. Aber auch Lobbygruppen wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. "Die wird finanziert von den Arbeitgeberverbänden Metall, also von der Autoindustrie, der Schwerindustrie", erklärt Joeres. Sie hätten immer sehr erfolgreiche Kampagnen gegen den Kohleausstieg gefahren, hätten auch sogenannte Botschafter: "Das sind bekannte Politiker und auch Ökonomen, die sich sozusagen ein bisschen einspannen lassen, um zu verhindern, dass bestimmte Gesetze beschlossen werden. Und darin waren sie auch sehr lange sehr erfolgreich."

Die Kohlekraftwerke dürfen noch bis 2038 am Netz bleiben. RWE will seine Anlagen bis 2030 abschalten. Und den Ausstieg bekommen die Betreiber dann noch mit mehr als vier Milliarden Euro vergoldet. Ein voller Erfolg der Lobbyisten.  

Die Strategien, mit denen die Klimaschutzbremser arbeiten, sind immer die gleichen, weiß Robin Tschötschel. Er forscht an der Uni Hamburg zu Klimakommunikation. Eine wesentliche Strategie heißt: Ablenkung. "Da geht es dann zum Beispiel darum zu zeigen: Naja, wir können uns prinzipiell schon loslösen von den Treibhausgas-emittierenden Wirtschaftsbereichen, aber das wird halt unendlich viele Jobs kosten. Oder: Das bringt gar nichts, wenn wir als einziges Land das machen."

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Buchtipp

"Die Klimaschmutzlobby"
Von Annika Joeres
Piper Verlag 

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Verzögerung des Klimaschutzes kostet Jobs

Gerade das Arbeitsplatz-Argument verfängt bei Beschäftigten, Gewerkschaften und Politikern. Und prinzipiell stimmt es ja auch. Aber die Auswirkungen auf die Arbeitsplätze werden massiv hochgerechnet. Tatsächlich gingen in der Braunkohleindustrie seit 2011 knapp 5.000 Stellen verloren. Aber auch in der Solarindustrie sind durch Firmenpleiten viele Arbeitsplätze abgebaut worden: Seit 2011 waren es fast 100.000 Stellen. Einen öffentlichen Aufschrei gab es nicht. Die Verzögerung des Klimaschutzes kostet also viel Geld und verhindert Fortschritt. 

Damit die Bremser in Zukunft weniger erfolgreich sind, fordert Annika Joeres mehr Transparenz. Beispielsweise durch ein effektives Lobbyregister, in dem sich alle Interessengruppen registrieren müssen – und nicht nur das: "Wenn man genauer wüsste, wer trifft sich eigentlich mit wem und vielleicht auch die Gesprächsprotokolle offenlegen lässt - ich glaube, allein schon diese Aufgabe, das später darzulegen, verhindert eine zu große Kungelei zwischen Industriellen und Politikern." 

Lukrative Jobs für Politiker

Manchmal winken Politikern nach dem Ende der Karriere lukrative Jobangebote in der Wirtschaft. Um solche Absprachen unattraktiv zu machen, müssten die Regeln verschärft werden, wann ein politischer Amtsträger einen Job in der Wirtschaft annehmen kann. Aktuell beträgt die "Abkühlungsphase" für Minister und Staatssekretäre ein bis eineinhalb Jahre, bevor sie in Verbände oder Unternehmen wechseln dürfen. Aber es gibt viele Ausnahmen, über die eine Kommission entscheidet. Die Organisation Lobbycontrol verlangt eine strenge Karenzzeit von drei Jahren. Das dürfte den Einfluss der Lobbys zwar nicht verhindern, aber zumindest verkleinern.  

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