Symbolbild Migräne

350.000 Menschen erleiden täglich eine Migräneattacke in Deutschland. Anlässlich des Mannheimer Schmerzkongresses haben wir den Neurologen Robert Fleischmann gefragt, welche Therapien am Besten wirken und wie man Attacken sogar verhindern kann.

hr-iNFO: Was heißt es, unter Migräne zu leiden?

Fleischmann: Wenn Sie unter einer Migräne leiden, mit Kopfschmerzphasen, die vier bis 42 Stunden gehen, können Sie am Alltag nicht oder nur eingeschränkt teilnehmen. Sie sind sowohl körperlich nicht belastbar, haben eine Rückzugstendenz aus reizvollen Umgebungen, wenn es hell und laut ist und dazu kommt noch, dass Sie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen haben. Wenn Sie dann trotz Migräne-Erkrankungen arbeiten gehen, kann das zu Fehlern führen. Also: Migräne bedeutet erhebliche Alltagsbeeinträchtigungen, sowohl auf geistig-kognitiver Ebene als auch auf körperlicher Ebene.

hr-iNFO: Jetzt werden solche Migräneattacken mit sogenannten Triptanen behandelt. Wie wirken diese Medikamente?

Weitere Informationen

Infobox

Robert Fleischmann arbeitet an der Klinik und Poliklinik für Neurologie in der Universitätsmedizin Greifswald. Der Neurologe ist spezialisiert auf Kopf- und Gesichtsschmerzen.

Ende der weiteren Informationen

Fleischmann: Bei der Migräne wissen wir, dass in der Attacke spezifische Entzündungsstoffe ausgeschüttet werden an den Nervenenden und so zu einer leichten Hirnhautentzündung führen, um die Nerven und die Gefäße herum, was dann auch die bewegungsabhängige Verstärkung der Schmerzen erklärt. Die Triptane blockieren die Ausschüttung dieser Entzündungsstoffe. Das ist auch ein Unterschied zum sogenannten Spannungskopfschmerz, wo dieser Entzündungsstoff keine wesentliche Rolle spielt.

hr-iNFO: Jetzt gibt es in der Schmerzmedizin auch noch vorbeugende Therapien. Für wen kommen die infrage?

Fleischmann: Daumenregel ist, dass man ab etwa vier Kopfschmerztagen mit stärkeren Migräneattacken darüber nachdenken sollte, ob sich eine Prophylaxe lohnt. Die Prophylaxe bewirkt, dass man seltener Migräneattacken hat und wieder "alltagsfähig" wird. Wenn sie jetzt sehr gut auf die Triptane ansprechen und es geht ihnen gut danach - bei manchen reicht tatsächlich auch Ibuprofen oder Aspirin - dann muss man nicht unbedingt Prophylaxen nutzen.

hr-iNFO: Es gibt seit einiger Zeit monoklonale Antikörper, die für die Prophylaxe eingesetzt werden. Was sind das für Stoffe und was bewirken die?

Fleischmann: Der spezifische Entzündungsstoff, der bei der Migräne ausgeschüttet wird, heißt CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide) und kann einerseits, wie eben beschrieben, mit Triptanen blockiert werden, die wirken indirekt. Monoklonale Antikörper haben die Eigenschaft, dass sie direkt das CGRP blockieren. Und es gibt die Variante, dass der Rezeptor für das CGRP blockiert wird. Also: So oder so hemmen sie den Signalweg. Das sind Medikamente, die sie einmal im Monat oder alle drei Monate nutzen können. Und für die Zeit haben Sie dann die Antikörper im Blut mit einem gewissen Spiegel. Sie behandeln quasi ihre Attacke, schon bevor Sie merken, dass Sie eine Migräneattacke haben.

hr-iNFO: Jetzt gibt es neben den Migräneanfällen auch noch etwas Schlimmeres: Den Cluster-Kopfschmerz, den man wirklich niemandem wünschen möchte. Gibt es dagegen auch Mittel?

Fleischmann: Genau, der Cluster-Kopfschmerz zeichnet sich dadurch aus, dass die Attacken teilweise noch heftiger sind und kürzer - 15 Minuten bis drei Stunden - aber mehrmals pro Tag auftauchen können und wirklich in der Intensität sehr sehr heftig sind. Da haben wir leider noch keine spezifische Therapie. Optionen auf dem deutschen Markt gibt es, prophylaktische Therapien zum Beispiel. Und dort ist interessant, dass auch dort das CGRP eine Rolle zu spielen scheint. Triptane helfen also auch beim Cluster-Kopfschmerz. Und deshalb ist aktuell der Versuch, die Medikamente auch für den Cluster-Kopfschmerz zu testen, ob es hier eine Wirksamkeit gibt.

hr-iNFO: Was raten Sie denn Patienten, die unter Migräneattacken oder gar unter Cluster-Kopfschmerz leiden? Wie kommen die am Besten zu einer geeigneten Therapie?

Fleischmann: Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt. Ab einer gewissen Schwere der Erkrankung ist es dann ein Thema für den Facharzt. Wenn Sie in ihrer Region nach einem Facharzt suchen, kann ich nur empfehlen: Es gibt von der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e.V. ein Verzeichnis von Kopfschmerzexperten, die sich besonders für Kopfschmerzerkrankungen interessieren. Da haben Sie zumindest einen Anhaltspunkt, wer sich in Ihrem Bereich besonders damit beschäftigt.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen