Liebesgrüße aus Moskau von Ian Fleming

Rassistische Begriffe sollen aus der Neuauflage der "James Bond"-Reihe von Ian Fleming getilgt werden. Der Verlag will aber so "nah wie möglich" am Originaltext bleiben. Für die einen kommt das einer Zensur gleich – für die anderen ist es eine notwendige Anpassung an die Zeit.

Contra: Sprache ist auch immer Ausdruck ihrer Zeit!

Von Selina Rust

Er liebt schnelle Autos, Martini und schöne Frauen. Das ist James Bond. Ein Macho, ein Player, vielleicht auch ein bisschen Alkoholiker, im Buch definitiv Kettenraucher. Wer James Bond wegen Rassismus oder sexistischer Stereotype umzuschreiben möchte, der steht vor einer schier unmöglichen Aufgabe. Wo fängt man an, wo hört man auf? Denn in seiner ganzen Figur, in der ganzen Erzählhaltung passt James Bond heute nicht mehr in unsere Zeit. Aber es zeigt uns doch, wie die Welt noch vor wenigen Jahren getickt hat. Sie war rassistischer, sexistischer, zynischer.

Für mich ist Ian Fleming damit auch ein Zeuge seiner Zeit – so wie jede andere Autorin, jeder andere Autor auch. Und Bücher ein Mittel, um auf die Vergangenheit zu blicken - und daraus zu lernen. Denn Sprache hat vor 100 oder 200 Jahren eben anders geklungen als heute. Auch, weil der gesellschaftliche Blick auf die Welt ein anderer war. Geschichte oder gar Kulturgeschichte lässt sich nicht austauschen oder umschreiben– und das ist auch gut so.

Denn auch dann stellt sich wieder die Frage: Wo fangen wir an, wo hören wir auf? Reicht es, einzelne Wörter zu überarbeiten? Oder müssten ganze Geschichten umgeschrieben werden? Und vor welchen Büchern machen wir dann noch Halt? Müsste auch die Bibel irgendwann umgeschrieben werden – frei von Gewalt und rassistischer Ideologie? Ja, heute sind wir zum Glück sensibler im Umgang mit Sprache geworden. Rassistische Äußerungen werden zurecht als verletzend wahrgenommen. Aber um zu wissen, wo wir herkommen und wie wichtig der Weg zu einer sensiblen Sprache ist, müssen wir doch auch verstehen, warum er so steinig war. Und dafür brauchen wir einen unverstellten, unzensierten Blick auf die Geschichte – denn sie lässt sich eben nicht immer schönreden.

Pro: Sprache schafft Bewusstsein!

Von Anne Baier

Man mag von James Bond halten, was man will. Für die einen der absolut coole, unwiderstehliche Agent, für andere - wie zum Beispiel mich - ist er vor allem die Personalisierung des Machos-Typen schlechthin. Daran wird sich auch nichts ändern, wenn die Romane über ihn nun an manchen Stellen geändert werden. Aber es spricht für mich absolut nichts dagegen, diese Bücher von Fleming aus den 50er und 60er Jahren zu entstauben und vor allem Begriffe, die eindeutig rassistisch sind, daraus zu verbannen. Diese Worte verunglimpfen, beleidigen und verletzen Menschen, die damit gemeint sind. Und: Sie reproduzieren rassistische Strukturen und tragen dazu bei, dass sich Sprache im Alltag nicht oder viel zu langsam verändert. Und damit natürlich auch das Bewusstsein über Rassismus. Denn davon bin ich überzeugt: Sprache schafft Bewusstsein. Das heißt, wenn wir Worte immer und immer wieder verwenden, sei es gesprochen oder geschrieben, dann wird sich auch unsere Einstellung nicht verändern.

Die Veränderungen scheinen mir gerade im Falle der James Bond Bücher sowieso noch harmlos zu sein. Laut der Verlagsgesellschaft sind sie minimal. Einzelne Bände enthalten lediglich den Warnhinweis, dass die Romane in einer Zeit geschrieben wurden, als manche Begriffe und Einstellungen alltäglich waren, die heutzutage als problematisch empfunden werden könnten. Von mir aus könnten die Veränderungen noch viel weiter gehen. dDenn mal ehrlich: Wer nennt Frauen im Jahr 2023 noch Gespielinnen oder homosexuelle Menschen krank? Diese sexistischen und homophoben Beschreibungen verbleiben nämlich in den Romanen.

Was ich grundsätzlich nicht verstehe: Jede und Jeder kann die alten Ausgaben nach wie vor unverändert lesen – der Vorwurf der Zensur ist allein deswegen unhaltbar. Schließlich ist es absolut üblich, Bücher, die vor Jahrzehnten geschrieben wurden, zu modernisieren – nicht nur die Cover und die Gestaltung, sondern eben auch die Sprache. Sprache verändert sich – und das ist gut so! Vor allem, wenn daraus Begriffe verschwinden, die Menschen in ihrer Würde herabsetzen oder angreifen.

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15 Kommentare

  • Ich finde es schade,dass alles als rass. betrachtet wird.Bin keinesfalls ein Rassist, aber fühle mich mittlerweile als Deutscher schlecht. Der neue Trend ist,dass überall Farbige gezeigt werden sei es in Werbespots auf Plakaten etc. Weiße sind dagegen schlecht.Wörter wie Mohr sind verboten, obwohl man es nicht böse meint.Für mich hat das alles eher etwas mit Minderwertigkeitskomplexen zu tun als mit Rassismus,wenn ich ehrlich bin. Warum sonst nicht auch Wörter wie "Schnitte" verbieten,weil es an Catcalling erinnert, stattdessen darf man nur noch Häppchen sagen. Weißkohl:Könnte man ja mit Kohlkopf verbinden, weißer Kohlkopf...wobei Kohlkopf dann auch rassistisch wäre gegenüber Menschen mit geistiger Behinderung. So könnte ich ständig weitermachen& kein Ende finden.

    Ganz ehrlich: Es bringt doch nichts Wörter zu verbieten,die Menschen,die es böse meinen,nutzen die Wörter sowieso oder denken sich etwas anderes aus.

    Würde auch immer auf mein äußeres beleidigt,juckt mich aber nicht ;-)

  • Wenn der Verlag meint, dass mit einer umgeschriebenen Fassung Geld zu verdienen ist, dann wird er das tun. Es liegt dann bei den Lesern, ob sie das kaufen möchten, vorausgesetzt, dass jeweils ein Hinweis (Originaltext bzw. sprachlich angepasste Version) vorhanden ist, damit man weiß, was man kauft.

    Als Anmerkung: in UK war der erste Roman, Casino Royale, in weniger als 4 Wochen nach dem Erscheinen ausverkauft. Aber erst 7 Jahre später wurde das Buch beim Ullstein Taschenbuchverlag übersetzt und veröffentlicht.
    Die Geschichte wurde dazu auf Taschenbuchlänge gekürzt und antideutsche Passagen wurden herausgenommen. Kritiker bemängelten schon damals diese Verfälschungen, und erst 2012 wurde eine originalgetreue Übersetzung in Deutschland veröffentlicht.

    Wer also gern Spracherziehung betreiben möchte, der findet hier ein weites Feld für seine Korrekturen. Zur Inklusion wäre sicherlich auch eine Version in einfacher Sprache hilfreich. Vielleicht würde dann ja wieder mehr gelesen.

  • Ich finde diesen Whataboutism so unangebracht. Wenn man ein Thema nicht spannend findet - okay. Dann muss man sich ja nicht damit beschäftigen. Aber bei JEDEM Thema, das nicht ins eigene Weltbild passt oder in der eigenen Welt nicht relevant ist, zu schreiben: "Es gibt aber noch viel wichtigere Dinge", finde ich extrem sinnlos. Es GIBT Menschen, die das stört. Sprecht ihnen doch nicht ab, dass ihre Themen auch Relevanz haben. Meine Schwarze Freundin zum Beispiel hat es schon als Kind gestört, dass sie in Pippi Langstrump vom "Negerkönig" lesen musste.
    Ich kann nicht klar sagen, wie ich zu der Sache stehe. Ich finde, sowohl Frau Baiers als auch Frau Rusts Argumentation nachvollziehbar. Letztlich würde ich wohl aber auch dazu tendieren, die Werke nicht umzuschreiben, sondern sie zu kommentieren. Denn sie sind nun mal Werke ihrer Zeit - und als solche kann man sie betrachten und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen.

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