Mutter betreut ihr Kind zu Hause

Vor allem Mütter sollen vom Recht auf einen Kitaplatz profitieren. Denn oft sind es die Frauen, die beruflich zurückstecken, wenn die Betreuung fürs Kind fehlt. Das Beispiel von zwei Müttern aus Hessen zeigt: Gibt es keinen Kitaplatz, führt das nicht nur zu finanziellen Problemen in den Familien. Auch der Arbeitsmarkt leidet, weil Fachkräfte fehlen.

Ich treffe Sarina und ihren Sohn Noah zu Hause in Mörfelden-Walldorf. Im Kinderzimmer sitzt die stellvertretende Pflegedienstleiterin mit ihrem 4-jährigen Sohn auf dem Teppich und sortiert die Dinos. Ihren Job hat sie vorerst aufgegeben und verzichtet damit monatlich auf 2000 Euro netto. "Ich habe einfach gedacht, der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, der besteht", sagt sie. Sie habe natürlich gehört, dass es schwierig sei, aber darüber habe sie sich nicht viel mehr Gedanken gemacht.

Die 35-jährige und ihr Mann mussten umziehen, weil ihr Vermieter Eigenbedarf geltend machte. Den alten Kitaplatz hat sie zwar noch, doch der ist 41 Kilometer entfernt. Hier in Mörfelden-Walldorf kann Noah erst im Dezember in den Kindergarten, und dann nur halbtags. "Und auch dann ist es eigentlich nicht machbar", sagt Sarina, "außer ich würde ich mich jetzt in einer Arztpraxis vielleicht noch bewerben, aber dann könnte ich es finanziell wieder hier nicht stemmen."

Beide Gehälter benötigt

Um aber die neue Wohnung bezahlen zu können, braucht Sarina ihr Gehalt und das ihres Mannes. Auch er arbeitet in der Pflege. Eine Branche, die händeringend qualifiziertes Personal sucht. Bis 2030 fehlen in Deutschland - der Krankenkasse Barmer zufolge - mehr als 180.000 Pflegekräfte. "Wir suchen auch händeringend nach Fachpersonal, es ist kaum machbar", erzählt Sarina. "In letzter Zeit sind auch immer mehr Pflegekräfte weggefallen, es gibt keinen Nachwuchs und dass ich da noch wegfalle ... Also es ist absurd."

Absurd findet auch Bianca ihre Situation. Ihre Zwillinge Mika und Felix sind noch bis Ende Oktober bei der Tagesmutter. Für sieben Stunden täglich, damit Bianca arbeiten kann. Doch der Vertrag läuft aus. Eigentlich sollten die Zwillinge dann in die Kita. Doch Bianca erzählt mir, sie habe keinen Platz bekommen: "Das macht Dich verrückt, weil Du nicht planen kannst. Du kannst finanziell nicht planen, Du kannst zeitlich nicht planen."

Viele Frauen wollen nicht nur Mutter sein

Mika und Felix werden im Oktober drei. Mutter Bianca hatte fest mit einem Kitaplatz gerechnet. Doch im April kam die Absage. Verlängern bei der Tagesmutter: unmöglich. Noch arbeitet die Industriekauffrau bei der Nassauischen Heimstätte als Kundenbetreuerin, 30 Stunden pro Woche. Ende Oktober ist erst mal Schluss. "Ich bin enttäuscht", sagt Bianca. Sie sei natürlich gerne Mutter, aber sie sei eben auch jemand, der "gerne was macht. Und ich bin nicht drei Jahre ausgebildet worden, habe noch einmal zwei Jahre Weiterbildung gemacht, damit ich zu Hause sitze und Biene Maja singe. Das ist Teil meiner Welt, aber nicht meine Welt." 

Viele Mütter wollen schnell zurück in ihren Beruf: Sie wollen ihre Qualifikationen nutzen und Geld verdienen. Dabei helfen sollte ihnen eigentlich das Recht auf einen Kitaplatz. Bundesweit gehen laut Nationalem Bildungsbericht mehr als ein Drittel der unter Dreijährigen in eine Kita. Es könnten noch mehr sein, doch in vielen Kommunen gibt es zu wenig Plätze. Bianca muss vermutlich ein Jahr pausieren. Für ihre Zwillinge hat sie erst im September 2023 einen Kitaplatz. Dann sind sie fast vier. Eine Problem, auch finanziell. "Es ist so, dass wir auf zwei Gehälter angewiesen sind, dass wir beide keine Riesengehälter haben. Zusammen können wir gut leben, aber alleine ist es nicht möglich."

Problem auch für Arbeitgeber

Nicht nur Bianca, ihr Mann und die Zwillinge haben ein Problem. Sondern auch ihr Arbeitgeber, die Nassauische Heimstätte.. Denn unter den rund 900 Mitarbeitenden sind 48 Prozent Frauen. Personalchefin Iris Schönbeck verliert immer wieder gut ausgebildete Frauen wie Bianca, weil diese ihre Kinder nicht betreut bekommen. "Der Markt ist leer und das eigentlich seit vielen Jahren schon, aber insbesondere jetzt. Und wir müssen gucken, wie wir die Position nachbesetzen."  

Noch sei der Job in der Kundenbetreuung nicht besetzt, sagt sie ziemlich verzweifelt. Denn der Fachkräftemangel ist immens. Selbst Unternehmen, die wie die Nassauische Heimstätte ausbilden, finden nicht genug Personal. "Die Familie ist die kleinste Zelle der Gesellschaft und wir müssen alle was dafür tun", sagt Schönbeck. "Ich glaube, die Politik, der Bund, das Land, die Kommunen - alle sind damit beschäftigt, hinten raus zu viele Dinge zu regeln. Und vorne an der Kette fehlt mir ein bisschen was."  

Im Juni 2022 fehlten in Deutschland laut Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft über 500.000 qualifizierte Fachkräfte. Auch weil Frauen wie Sarina und Bianca nicht arbeiten können und Kinder wie Noah, Mika und Felix keinen Kitaplatz bekommen.  

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