Meron Mendel

Nur sieben Prozent der Menschen in Deutschland waren schon einmal in Israel. Dennoch haben die meisten eine Meinung zur Politik Israels und zum Nahostkonflikt. Dabei geht es nicht immer um die Sache, sondern oft um unsere eigene Identität – meint der Historiker Meron Mendel, der in Frankfurt die Bildungsstätte Anne Frank leitet.

Seit über zwanzig Jahren lebt Meron Mendel in Deutschland. Doch die politische Situation in Israel, wo er 1976 geboren wurde, lässt ihm keine Ruhe. Die neue ultra-rechte Regierung plane "die Abschaffung der liberalen Demokratie", sagt Mendel. Ministerpräsident Netanjahu steht für ihn politisch in einer Reihe mit Trump, Orban und der AfD. "Die aktuelle israelische Regierung hat gemeinsame Werte mit der AfD, aber keinesfalls mit der Bundesregierung in Deutschland", sagt Mendel. Das müssten auch deutsche Politiker klar und öffentlich zum Ausdruck bringen, fordert er – "als Signal an die israelische Bevölkerung", die in großer Zahl gegen die Netanjahu-Regierung demonstriert.

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Kritik an der Politik Israels ist für Meron Mendel selbstverständlich, legitim und auch notwendig. Auch von deutscher Seite. Doch zugleich beobachtet der Historiker und Leiter der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt immer wieder, dass die nationalsozialistische Vergangenheit die deutschen Debatten über Israel prägt. Da werden schnell mal Israelis mit Nazis verglichen oder es kommen gar antisemitische Stereotype zum Vorschein, etwa von der vermeintlichen "Weltherrschaft der Juden". Hier geht Israelkritik in Antisemitismus über oder es wird der Holocaust relativiert.

"Wenn wir über Israel reden, reden wir über uns selbst"

"Wenn wir über Israel reden, reden wir über uns selbst", stellt Meron Mendel fest. Israel sei "eine wunderbare Projektionsfläche". Über ihre jeweilige Haltung zu Israel und zum Nahostkonflikt definieren sich in Deutschland ganze politische Bewegungen und Gruppierungen – auf der extremen Rechten ebenso wie auf der Linken. Das offizielle Westdeutschland hatte nach dem Krieg lange kein Interesse an diplomatischen Beziehungen zu Israel. Über die sogenannte "Wiedergutmachung" wollte man sich aber den Wiedereintritt in die westliche Gemeinschaft erkaufen, sagt Mendel. Es stimme also nicht, wenn Angela Merkel behauptet, die Sicherheit Israels habe in der Nachkriegszeit immer zur deutschen "Staatsräson" gehört.

In seinem gerade erschienenen Buch "Über Israel reden – Eine deutsche Debatte" zeichnet Mendel die vielschichtigen Israel-Diskurse in Deutschland nach und beleuchtet die dahinterliegenden Motive. Dabei geht es auch um die Frage, ob die Kritik an Kolonialismus und Rassismus bisweilen antisemitische Züge trägt. Dies war zum Beispiel bei einigen Kunstwerken der Kasseler documenta im Jahr 2022 kritisiert worden. Meron Mendel war hier als Vermittler eingeschaltet worden, hatte dies aber angesichts der verhärteten Positionen schnell wieder aufgegeben. Sein Buch ist jetzt ein Beitrag zu einer differenzierten und reflektierten Debatte über Israel – ohne Holocaust-Leugnung und antisemitische Untertöne.

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