Joe Bausch zu True Crime

Der Schauspieler Joe Bausch hat mehr als 30 Jahre als Gefängnisarzt gearbeitet. Auch als Autor beschäftigt er sich immer wieder mit Mördern. Ihn fasziniert aber nicht die Tat an sich, sondern wie es dazu kommen konnte: Was macht Menschen zu Tätern? Und warum fasziniert uns "True Crime" so sehr?

Glatze, Schnauzbart und zerfurchtes Gesicht: Der Schauspieler Joe Bausch, bekannt aus dem Kölner Tatort, hat kein Problem damit, dass man ihn Charakterkopf nennt: „Besser als wenn jemand sagt: ‚Das ist so ein Gesicht, das man vergessen kann.‘“ Als Schauspieler wolle man schon erkannt werden, so Bausch.

Sein typisches Aussehen beschert ihm seit Anbeginn seiner Karriere meist die Rollen eines Totschlägers, Vergewaltigers und Zuhälters. „Unser Lehrer Doktor Specht kommt da eher nicht in Betracht“, schmunzelt Bausch. „Ich war von Anfang an verdammt, eher die härteren Typen zu geben.“ Da spielt natürlich die Rolle des Pathologen im Kölner Tatort nicht unbedingt mit rein. Aber, merkt der Schauspieler lachend an: „Die Typen, die mit Leichen hantieren und umgehen, die haben schon ein Problem.“

Bausch scheint ein Faible für die dunkle Seite im Menschen zu haben. Sein erst kürzlich veröffentlichtes Buch "Maxima Culpa“ beschäftigt sich mit Menschen, die, wie der Name schon sagt, „allergrößte Schuld“ auf sich geladen haben. Er beschreibt darin zum Beispiel den Fall des Pausenbrotkillers, der seinem Kollegen Giftpulver auf das Butterbrot streut, oder den des Krankenpflegers, der mindestens 87 seiner Patienten getötet hat, und den der vier jungen Frauen, die eine Zufallsbekanntschaft berauben und grausam ermorden. Alles wahre Delikte, also „True Crimes“.

Nicht die Tat selbst ist interessant, sondern die Geschichte davor

Den einen oder anderen im Buch hat Bausch wirklich in seiner Zeit als Gefängnisarzt kennengelernt. Wer das war, unterliege aber der Schweigepflicht und täte auch nichts zur Sache für die Erzählungen. Prinzipiell, sagt Bausch, wollte er mit seinem Buch keine Enzyklopädie von Kriminalfällen schaffen, sondern Fälle, die unterhalten und die systematisch für spezielle Verbrechenstypen stehen.

Bausch treibt weniger das Faible für das Böse an, sondern er fragt sich: „Was macht den Menschen böse, was kam vor der Tat, welche Entwicklung hat es da gegeben, welche biographischen Ereignisse gab es?“ Sowohl als Arzt als auch als Schauspieler haben ihn diese Fragen beschäftigt: „Wie halten Menschen, die Böses tun, das aus, was empfinden sie? Mich faszinieren als Schauspieler besonders Figuren, die scheitern und Brüche haben.“

Wieso überwindet ein Mensch den Abgrund und begeht eine Straftat?

Es gäbe meist noch eine letzte Barriere, die die Wenigsten überwinden, so Bausch.

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„„Es gibt verschiedene Level, auf denen sich Gewalt abspielt. Von völliger Gewaltlosigkeit - nennen wir es mal null bis eins – bis zu dem, wo wir uns bewegen, das ist vielleicht bei fünf bis sieben. Vielleicht noch bis acht, also vielleicht mal zuzuschlagen. Aber die wenigstens von uns können sich vorstellen, zum Beispiel mit einem Auto in die Menschenmenge zu fahren“.“
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Dafür brauche es viel mehr Zeit, in der sich das Bild im Kopf des Täters verdichtet und er oder sie sich selbst radikalisiert. „Es gibt ganz viele Menschen, die eine ähnlich Vita haben. Aber von 10.000 Menschen macht es dann doch nur die eine Person. Aber vorhersagen kann man das nicht.“

Faszination Böses

Ganz viele Menschen, die Böses tun, hätten eher etwas Gewöhnliches an sich. Es seien ganz normale Menschen, so Bausch. Wie zum Beispiel der Fall des Pausenbrotkillers, der seinen Kollegen vergiftet. Uns fasziniere unter anderem daran, sagt Bausch, dass „dieser Typ so eine Fähigkeit entwickelt wie der kleine Chemiker, sich mit Giften zu beschäftigen. Also sich obsessiv mit Schwermetallen und Kampfstoffen zu beschäftigen.“ Eine andere Faszination ist die Frage: „Wie viele von denen leben in meiner Nachbarschaft?" Man sähe den Leuten ihre Gedanken und Vorhaben nicht an. Es könnte also jeden treffen.

Auch das Entsetzen, was im Opfer vorgegangen sein muss, interessiere die Menschen und habe etwas Voyeuristisches. Aber das sei auch der einzige Moment, in denen das Opfer interessant für den Rezipienten sei. Vielmehr wollten Menschen etwas über den Täter erfahren. „Mitleiden möchte man nicht, das wäre viel zu anstrengend“, gibt Bausch zu bedenken.

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Das Interview führte Stephan Bücheler

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