Anton Zheliakov

Vor einem Jahr begann der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Er hat das Leben vieler Menschen dort grundlegend verändert. Einer von ihnen ist Anton Zheliakov, Schauspieler aus Charkiv. hr-iNFO-Reporter Marc Dugge hat ihn getroffen.

Es ist gerade mal ein Jahr her. Und doch fühlt es sich an, als liege sein Leben vor dem 24. Februar eine Ewigkeit zurück. Als er im Theater von Kharkiv vor vollem Haus auf der Bühne stand, ganze 20 Tage im Monat. Oder auf Tournee in Deutschland war, mit Gastspielen in Nürnberg und München. Heute darf er nicht mal mehr das Land verlassen. "Ich vermisse die Schauspielerei und die Tourneen. Was wir jetzt tun, macht mir nicht so viel Freude, wie wenn ich auf der Bühne stehe. Ich vermisse das sehr."

Immerhin ist es eine sinnvolle Tätigkeit, der er sich jetzt widmet. Für eine private Hilfsorganisation verteilt er Lebensmittelhilfen an Menschen, die es besonders nötig haben. Er hat sich schon vor der Invasion als Freiwilliger engagiert. Jetzt ist es sein Lebensinhalt. Anton ist 40 Jahre alt und Vater von drei Kindern. Ein großgewachsener Mann mit rotem Bart und grüner Wollmütze.

Erinnerungen an den Tag des Kriegsbeginns

Natürlich wird er sich immer an den 24. Februar erinnern: "Wir wurden von einer Frau angerufen, der Mutter eines Kindes, das in unserem Theater war. Ihr Haus war in der Nähe des Flughafens, der bombardiert wurde. Es sei furchtbar dort. Mein Freund Igor und ich haben uns lange beraten, wer von uns dorthin fährt. Gott sei Dank ist er gefahren. Meine Knie waren weich, ich war am 24. Februar noch nicht bereit dazu." Sein Freund rettet die Frau mit zwei Kindern aus dem Keller ihres Hauses, gerade noch bevor die Bomben flogen. Ab da packt auch Anton mit an, um Bedürftige zu versorgen. Bis heute.

Sonntagmorgen in Saltivka, einer Plattenbausiedlung im Norden von Charkiv. Von hier aus sind es nur gut 30 Kilometer bis zur russischen Grenze. Zerstörte Häuser und zersplitterte Scheiben zeigen, wie heftig hier im vergangenen Frühjahr gekämpft wurde. Rund 20 Menschen stehen vor Antons Kombi, die meisten von ihnen Rentner. Er drückt ihnen Tüten mit Lebensmitteln in die Hand – auch Hausmeister Vasily Koslow. "Die Sachen, die sie uns gebracht haben, waren schon eine große Hilfe für uns, als hier noch gekämpft wurde", sagt Koslow. "Obwohl wir unter Beschuss waren, sind sie gekommen. Sie haben schnell ausgeladen und sind dann weiter zu anderen Menschen geeilt." Anton erzählt davon, wie ihm Splitter um die Ohren geflogen sind und er rennen musste, um Deckung zu suchen. Seine Tochter erzählt, dass sie oft Angst um ihn hatte.

Anton Zheliakov beim Verteilen von Lebensmitteln

Lächeln ist eine Seltenheit

Mittlerweile sind die Russen aus der Gegend abgezogen. Aber Raketen schlagen immer noch ein, die Menschen brauchen weiter Hilfe. Und so steht Anton auch ein Jahr später hier. Er scherzt mit den Menschen, nimmt eine alte Frau in die Arme und lacht. Ein sonniges Gemüt, über das derzeit aber auch viele Wolken ziehen. "Das Wichtigste, was mir dieser Krieg gestohlen hat, ist meine Unbeschwertheit", sagt er. "Ich bin immer mit einem Lächeln durch die Gegend gelaufen, war immer fröhlich. Jetzt ist ein Lächeln in meinem Gesicht eine Seltenheit. Wenn ich aber an Tagen wie heute die Menschen treffe und Ihre Dankbarkeit sehe, ist das eine der wenigen Gelegenheiten, die mir geblieben sind, die mich etwas aufheitern."

Zitat
„Das Wichtigste, was mir dieser Krieg gestohlen hat, ist meine Unbeschwertheit.“
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Eine andere sind die Theaterkurse, die er für junge Menschen anbietet. Wo er mit Kindern und Jugendlichen zusammen probt, spielt und tanzt. Und der Krieg wieder für ein paar Stunden wegrückt. Natürlich träumt auch er vom Moment, wenn alles vorbei ist. Wann der Krieg beendet ist, weiß keiner. Aber Anton weiß schon, was er dann tun wird: "Ich will ans Meer, wie mein Präsident Selenskyj. Ich vermisse die See. Im vergangenen Jahr habe ich Flossen und eine Tauchmaske geschenkt bekommen. Damit möchte ich gern ins Wasser springen."

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