Frau breitet Arme aus vor Winterwald

Draußen ist es kalt, ungemütlich und meistens grau. Das kann auf die Stimmung drücken. Einige erwischt sogar das, was gerne Winterblues genannt wird. Was das genau ist und wie man ihn überwinden kann, erklärt der Allgemeinmediziner Christian Sommerbrodt aus Wiesbaden im Gespräch mit hr-iNFO-Moderator Dirk Wagner.

hr-iNFO: Was macht denn dieser Mangel an Licht gerade mit uns, mit unserem Körper, aber vielleicht auch mit unserer Seele?

Sommerbrodt: Da sind wir uns noch nicht so wirklich einig. Wir wissen, dass diese Symptome des Winterblues' in der Regel im Herbst beginnen, sich über den Winter ziehen und zu Beginn des Frühlings enden und dass in südlichen Ländern dieser Winterblues etwas seltener aufkommt als in nördlichen Ländern. So weit hat das Ganze mit dem Licht zu tun. Es gibt Vermutungen, dass das eine Auswirkung auf den Serotoninspiegel hat. Dazu gibt es auch ein paar Studien, aber nicht wirklich gute. Auch bei der Behandlung mit Licht gibt es keine wirklich guten Studien. Aber Licht ist halt das einzige, was sich ändert. Und insofern kann man davon ausgehen, dass das schon eine Auswirkung hat.

hr-iNFO: Sobald die Sonne dann doch mal rauskommt, zieht es viele Leute raus. Es scheint also tatsächlich so zu sein, dass wir uns nach Licht sehnen in dieser Jahreszeit, oder?

Sommerbrodt: Ja, das ist sicherlich richtig. Wobei hier einfach auch die Motivation rauszugehen eine ganz große Rolle spielt. Wir sehen ja auch, dass die Leute viel weniger von der Winterdepression betroffen sind, wenn sie zum Beispiel rausgehen, wenn es schneit und keine Sonne ist. Also hier ist das Rausgehen und sich vielleicht auch mal überwinden tatsächlich ein wesentliches Konzept. Sich körperlich zu betätigen, auch wenn es nur ein Spaziergang ist, sich mit Freunden treffen, sich nicht zu Hause einmummeln - das kann hier durchaus auch ein Hebel sein. Es muss nicht immer nur das Licht sein.

hr-iNFO: Da sind wir schon bei den Tipps, um diesem Winterblues oder dieser Stimmung entgegenzuwirken. Was haben Sie noch in petto?

Sommerbrodt: Im Wesentlichen ist es, sich nicht von diesem Winterblues einfangen zu lassen. Man muss das medizinisch im Winter natürlich immer so ein Stück weit zur Winterdepression oder zur generellen Depression abgrenzen. Das ist mitunter manchmal schwierig. Man kann eine Lichttherapie versuchen, da sollte man eine etwa 1000 Lux-Lampe verwenden - die Studien haben da zumindest kurze Effekte gezeigt, aber nicht lang anhaltende Effekte. Das, was wir eigentlich wirklich immer wieder sehen, ist, dass die Menschen, die körperlich aktiv sind, die rausgehen, tatsächlich viel weniger vom Winterblues betroffen sind als die, die es vielleicht vom Büro gerade mal nach Hause schaffen und dann dort auf einem Sofa in der Serie verbleiben. Die Inaktivität scheint da ein deutlicher Punkt zu sein.

hr-iNFO: Stichwort Büro - mein Chef wird sich wahrscheinlich bedanken, wenn ich sage, ich muss mal eben ganz dringend vor der Sendung für eine Stunde raus. Aber ich merke, wenn ich dann die Büro-Funzel anmache, das bringt so gar nichts.

Sommerbrodt: Ja, das müssen schon richtige Hängelampen sein, Tageslichtlampen.

hr-iNFO: Es gibt auch Menschen, die zu Nahrungsergänzungsmitteln greifen, um dem Winterblues zu begegnen - Vitamin-D-Pillen sind da zum Beispiel sehr beliebt. Was halten Sie davon?

Sommerbrodt: Schwierige Antwort - die Antwort hängt davon ab, wen Sie fragen. Die Medizin ist in zwei Lager fast schon gespalten, kann man sagen. Es gibt einige Kollegen, die das sehr empfehlen, und Kollegen - zu denen gehöre ich auch - die dem eher kritisch gegenüberstehen. Die Studien, die da sind, sind wenig aussagekräftig. Mal wird ein bisschen Pro, mal ein bisschen Contra gezeigt. Ein wirklicher, richtiger Therapieeffekt ist da nicht wirklich rausgekommen. Aber es verkauft sich halt sehr gut. Und es ist natürlich auch sehr angenehm, eine Tablette zu schlucken, anstatt eventuell doch mal den inneren Schweinehund zu bekämpfen und rauszugehen.

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