Second Hand Mode

Unsere Korrespondentin in der belgischen Hauptstadt liebt alles, was nicht neu ist. Und damit ist sie dort in guter Gesellschaft: Die flämische Regionalregierung hat 2015 beschlossen, dass alle Bürger jedes Jahr mehrere Kilo gebrauchter Ware kaufen sollen - von Kleidung bis hin zu Möbeln und Büchern. Doch das Second-Hand-Geschäft hat auch Schattenseiten.

"Eine schöne Jacke ist das, die du da anhast", sagte letztens ein Kollege zu mir. "Ist das eine besondere Wolle?" Ich musste ein bisschen schmunzeln. Denn tatsächlich hatte ich die rot-blau karierte Männerjacke im Oversize-Style kürzlich in einem Vintage-Shop im belgischen Antwerpen gekauft - für 20 Euro. Das Etikett verriet mir, dass sie wohl vormals von einem deutschen Modegeschäft verkauft worden war.

Die Menschen in Belgien lieben Mode aus zweiter Hand, und sie ist auch omnipräsent. Ob nun in einem der zahlreichen Geschäfte, auf dem Flohmarkt, im hippen Viertel Les Marolles in Brüssel oder auf den regelmäßig stattfindenden Vintage-Festivals. Oft hört man hier das Argument, das sei ja auch viel nachhaltiger. Schließlich ist die Mode schon einmal mit viel Arbeitsaufwand, Wasserverbrauch und Marketingkosten produziert worden.

Mehr CO2 als Flug- und Schiffsverkehr zusammen

Eine Jeans beispielsweise benötigt circa 6.000 Liter Wasser. Viele Chemikalien werden schon allein beim Anbau von Baumwolle verwendet. Eine Studie der britischen Ellen MacArthur-Stiftung aus dem Jahr 2018 ergab: Die Textilindustrie ist jährlich für mehr CO2 verantwortlich als der internationale Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Wie überall herrscht auch in der Modeindustrie eine unvorstellbare Überproduktion: 50 Milliarden Tonnen jedes Jahr. Nur ein Prozent davon kann überhaupt recycelt werden.

Wenn also irgendjemand die Sachen nicht mehr haben will, warum ihnen also dann nicht ein zweites Leben ermöglichen? Daran ist auch im Grunde nichts auszusetzen. Doch auch hier ist der Markt übersättigt, und die Second-Hand-Ware ist längst ein Spekulationsprodukt geworden. Bei einem Vintage-Festival in Brüssel erzählte mir eine Verkäuferin, man habe ihr eine Tonne Kleidung für 1.500 Euro angeboten. Das sei viel zu wenig, und sie habe sich gefragt, wie ein solcher Dumpingpreis zustande komme.

Die lange Reise der Second-Hand-Mode

Sie öffnete mir dann die Augen, indem sie mir die Reise beschrieb, die nicht nur Neuware, sondern eben auch bereits getragene Klamotten hinter sich haben, bevor sie schlussendlich in Europa landen. Aufgekauft auf dem amerikanischen Kontinent, kommen sie nach Indien, wo meistens Frauen und Kinder die Ware unter den wachsamen Augen einer Kamera sortieren.

In London entscheidet dann jemand per Video, was verkauft werden soll und was nicht. Und dann geht es zurück nach Antwerpen, Brüssel und in andere europäische, hippe Städte. Es kann also sein, dass meine gerade so bewunderte Jacke den gleichen Weg hinter sich hat. Deshalb gilt für mich bei Vintage mittlerweile das gleiche wie bei Neuware. Weniger ist oft mehr.

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