Graffitis in Hanau

Graffiti kennen viele als etwas, das hauptsächlich junge Menschen machen. In Hanau aber gibt es eine ganz besondere Gruppe von Künstlern: Sie nennen sich "Sprayground Old Robinson" – und sind zwischen 60 und 89 Jahren alt.

Wer in Hanau unterwegs ist, hat sie bestimmt schon gesehen: bunt vollgesprayte Stromkästen, Trafo-Häuschen, ganze Wände oder Unterführungen. In der Ernst-Barthel-Straße zum Beispiel im Hanauer Stadtteil Wolfgang steht am Straßenrand ein Stromkasten, der mit Herzen, Sternen und Kreisen in den Farben Rot, Lila und Orange verziert wurde. Ein paar Schritte weiter sieht man aufgestellte Paletten, die Leinwände aus Holz halten. Darauf zu sehen ist eine rote Kerze auf grünen Zweigen. Die Bilder hier sind Graffitis. Gesprayt unter anderem von Marianne Horst, die begeistert erklärt: "Die kann man gleich wieder übersprayen. Das ist ja auch das Schöne an dieser Kunst. Also, dass man das nicht so schlimm sieht, wenn das nach ein paar Wochen wieder weg ist. Dann kommt wieder das Nächste drauf."

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„Graffiti hat man ja immer assoziiert mit jüngeren Menschen. Ich sage, dass man das auch in jedem Alter machen kann.“ Lothar Hain, Graffiti-Senior Lothar Hain, Graffiti-Senior
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Genau das passiert hier an der Ernst-Barthel-Straße. Sie nennen sie ihre "Walking Gallery" – eine Galerie zum Vorbeigehen. Alle paar Wochen werden die Kunstwerke hier ausgetauscht – übersprüht von Marianne Horst und ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern. Und die sind alle Seniorinnen und Senioren. Die älteste ist 89 Jahre alt. Einer der Graffiti-Senioren ist Lothar Hain. Er sagt: "Graffiti hat man ja immer assoziiert mit jüngeren Menschen. Ich sage, dass man das auch in jedem Alter machen kann. Das geht auch mit 60, 70 und 80, wie wir hier sehen."

Gemeinsam sprühen als Partizipationsprojekt

Marianne Horst, Lothar Hain und die anderen Graffiti-Senioren haben vor knapp drei Jahren mit dem Graffiti-Sprühen angefangen. Bei einem Projekttag des Familien- und Jugendzentrums im Hanauer Stadtteil Wolfgang. Aus diesem Projekt ist eine Gruppe von zehn Seniorinnen und Senioren entstanden, die sich regelmäßig zum Sprayen treffen. Mit dabei ist auch Martin Hübscher vom Familien- und Jugendzentrum. "Unsere Grundidee ist so ein bisschen: demokratische Teilhabe am öffentlichen Raum. Also sowohl die Teilnehmer als auch ich haben das Grundbedürfnis, die Hanauer Stadt bunt zu machen. Und das macht uns einen Riesen-Spaß", so Hübscher.

In den vergangenen drei Jahren haben sie immer wieder Stromkästen oder Trafohäuschen besprüht. Oft zieht sich ein Motto durch ganze Straßenzüge. Im Stadtteil Wolfgang zum Beispiel sind es in der sogenannten Tiersiedlung Fuchs, Igel, Biber oder Dachs auf grünem Hintergrund. In der Innenstadt haben sie eine komplette Unterführung bemalt: hellblau mit roten Blumen. Angeleitet wird die Gruppe von Martin Hübscher und anderen jüngeren Menschen vom Familien- und Jugendzentrum. "Das Schöne ist, dass das ein Partizipationsprojekt ist. Das heißt: Die Jugendlichen, die jungen Erwachsenen haben hier als Profisprüher eine Vorbildfunktion und können den Senioren etwas vermittelt. Alt lernt von Jung. Und das ist was Besonderes", schildert Hübscher. Marianne Horst findet das gut: "Die Rolle ist mal umgekehrt. Wir haben hier die jungen Lehrer und wir sind die, die lernen. Das macht Riesenspaß zusammen."

Das Projekt wird sehr gut angenommen

Gemeinsam nennt sich die Gruppe "Sprayground Old Robinson", benannt nach der Alten Robinson-Schule, an der sie sich immer treffen. Graffiti sprühen mit 65 oder bald 90 Jahren – was treibt die Graffiti-Senioren an? "Ich bin so eine Verrückte, die dauernd sowas macht", sagt eine Künstlerin. Eine andere Teilnehmerin schildert ihre Erfahrungen so: "Mit so einer Spraydose ist es ja etwas ganz anderes als mit einem Stift in der Hand." Und noch eine weitere findet: "Das Spiel mit den Farben, das Sprayen, Skizzen entwerfen, generell künstlerisch tätig sein: Das ist so toll."

Und deshalb sprayen die Hanauer Graffiti-Senioren weiter – ganz egal, wie alt sie sind.

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