Auch in der Ukraine wird versucht, ein wenig weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Ein als Sankt Nikolaus verkleideter Mann übergibt einem Kind in Cherson ein Geschenk

Viele Menschen aus der Ukraine müssen Weihnachten fern der Heimat und ohne ihre Verwandten feiern. Wie geht es ihnen dabei? Ist Weihnachten für sie überhaupt ein wichtiges Datum? Und wie blicken sie auf die Lage in ihrem Land? Unsere Reporterin hat Ukrainerinnen und Ukrainer in Hessen getroffen.

Natalia Charidonowa lauscht der Musik auf ihrem Handy. Dieses Lied (Shchedryk), erzählt sie, sei eines der wichtigsten Weihnachtslieder der Ukraine. Die studierte Musiklehrerin hält kurz inne. Im März ist sie mit ihrem Sohn, dem vierjährigen Vitalik, aus ihrer Heimatstadt Kiew geflohen. Seitdem wohnt sie in Bensheim. Weihnachten ist ihr sehr wichtig, erklärt sie: "In der Ukraine feiern wir natürlich am sechsten Januar. Das ist Heiligabend. Aber hier werden wir am 24. Dezember feiern, wo wir bei Freunden eingeladen sind, in eine katholische Kirche zu gehen und nach deutschen Traditionen Weihnachten zu feiern."

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„Der Adventskranz gefällt mir sehr gut – das gibt es in der Ukraine nicht. Jede Woche eine Kerze anzuzünden, das ist etwas Neues für mich und etwas sehr, sehr Schönes.“
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In ihrer kleinen Wohnung in Bensheim haben Mutter und Sohn schon einen Weihnachtsbaum aufgestellt, übersetzt Miriam Dovbenko weiter, die neben Natalia sitzt. Auch elektrische Lichter hängen schon. Was Natalia außerdem liebgewonnen hat: "Der Adventskranz gefällt mir sehr gut – das gibt es in der Ukraine nicht. Jede Woche eine Kerze anzuzünden, das ist etwas Neues für mich und etwas sehr, sehr Schönes."

Ein wenig Tradition muss sein

Ortswechsel. Im ehemaligen Krankenhaus in Lindenfels deutet fast nichts darauf hin, dass bald Weihnachten ist. Keine Lichter, kein Baum, keine Sterne. Nastasija und Sergeij aus Saporischschija leben hier mit ihren drei Töchtern und über 300 anderen Geflüchteten aus der Ukraine. Weihnachten sei wichtig, betonen auch sie. Deshalb soll zumindest am 7. Januar ein bisschen weihnachtliche Stimmung aufkommen, übersetzt Elena Fischer. 

Diese Unterkunft ist wie eine kleine Ukraine geworden und die müssen sie jetzt auch vorbereiten für den Tag, wenn das gefeiert wird. Dann kommen die Kinder rein, klopfen an die Tür – ähnlich wie Halloween. Süßigkeiten oder Gebäck müssen verteilt werden.

Ein typisch ukrainisches Weihnachtsgericht kommt auf den Tisch

Die Familie will deshalb auch mit anderen in den Gemeinschaftsküchen kochen: ein ukrainisches Weihnachtsgericht. Über dieses Gericht spricht auch Natalia Charidonowa in Bensheim: "Wir essen auf jeden Fall das ganz traditionelle Gericht 'kutshu'. Das ist Weizen mit Mohn, Honig und trockenen Früchten."

Natalias Augen strahlen, wenn sie über dieses Gericht und die ukrainischen Weihnachtstraditionen spricht. Und wie an Heiligabend alle in Kiew ins Stadtzentrum gehen, wo ein großer erhellter Baum steht. Sie stockt, als sie von ihrem Mann spricht, der noch in Kiew ist: "Natürlich werden wir es versuchen und möchten die Familie anrufen, um zu Weihnachten zu gratulieren. Das Einzige, was wir hoffen ist, dass wir dann gerade Strom und damit Internet haben."

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„Natürlich werden wir es versuchen und möchten die Familie anrufen, um zu Weihnachten zu gratulieren. Das Einzige, was wir hoffen ist, dass wir dann gerade Strom und damit Internet haben.“
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Die vielen Raketenangriffe auf die ukrainische Hauptstadt machen Natalia gerade große Sorgen. Doch sie will nach vorne schauen. Und deshalb wird die Musiklehrerin in diesem Jahr trotzdem ihre Weihnachtslieder anstimmen. Nur eben schon am 24. Dezember – und in Bensheim.

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