E-Scooter in Hessen "Die Ordnungsbehörden haben kapituliert"

Eigentlich sind E-Roller eine gute Sache: Man kann sich schnell und klimafreundlich in der Stadt bewegen. Ärgerlich ist, dass sie oft einfach irgendwo mitten im Weg abgestellt werden. In Paris stimmten die Bürger deshalb jetzt für ein Verbot der Leihroller. Wäre das auch eine Lösung für Hessen?

Zwei E-Scooter liegen auf einem Bürgersteig in der Nähe von Mülltonnen und blockieren den Weg
Bild © picture-alliance/dpa
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Alfred Fuhr ist Verkehrssoziologe und lebt in Frankfurt, wo die E-Roller seit 2019 zum Stadtbild gehören. Wir haben mit ihm über die Vor- und Nachteile der Gefährte gesprochen und ihn gefragt, ob eine Abstimmung über ein Verbot auch in Hessen denkbar wäre.

hr-iNFO: Wann mussten Sie zum letzten Mal über einen E-Roller steigen, der auf dem Bürgersteig rumlag?

Fuhr: Ich hatte ein Kunstwerk gesehen. Da hat sich nämlich jemand die Mühe gemacht und hat einen E-Scooter neben einem dort ab gestellten Einkaufswagen hingestellt. Also man sieht - die Leute sind auch kreativ.

hr-iNFO: Warum werden die Roller eigentlich nicht abtransportiert, wenn sie im Weg rumstehen oder rumliegen?

Fuhr: Das ist für mich auch ein Rätsel. Ich habe auch schon bei der städtischen Polizei angerufen und gesagt: 'Ihr lauft doch durch die Stadt, Ihr müsst das doch eigentlich sehen.' Und dann hat mir die Dame gesagt, sie seien eigentlich nur zuständig für ruhenden Verkehr und wenn das Fahrzeug ein Kennzeichen habe. Das heißt, sie sind eigentlich zuständig für solche Dinge. Der weitere Punkt dabei ist, dass ich glaube, dass unsere Stadt eigentlich genug zu tun hat mit allem möglichen ruhenden Verkehr. Ich glaube also, dass das sehr wohl möglich wäre, aber dass dann letztendlich die Ordnungsbehörden kapituliert haben.

hr-iNFO: War es ein Fehler, den Roller-Verleihern den gesamten öffentlichen Raum zu überlassen, fast ohne Einschränkungen, oder überwiegend doch die Vorteile dieses schnellen, einfachen und ökologischen Fortbewegungsmittels?

Fuhr: Ich glaube, dass es da einfach einen Zielkonflikt gibt in der Politik. Die Stadt Frankfurt hat den den Betreibern den öffentlichen Raum zur Verfügung gestellt. Die sagen praktisch: 'Das ist eure Theke hier, die ganze Stadt, und ihr dürft da machen, was ihr wollt.' Dann gibt es aber eben Einschränkungen, also auch die Verkehrsmittel, die wiederum nach einem anderen Regelwerk funktionieren. In dieses juristische Dickicht soll sich aber bitte ein Jurist wagen.

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Ich habe einfach gesagt: Warum werden eigentlich nicht die guten Erfahrungen genutzt, die man in der Verkehrssicherheitsarbeit mit Belohnung, mit Anreizen, mit Aufklärung, mit entsprechenden Kampagnen macht - also warum verpflichtet man nicht die Leute dazu, sich an solchen Aktionen zu beteiligen?

hr-iNFO: Wie könnte man denn die Nutzerinnen und Nutzer dazu bewegen, dass sie die Leihroller nicht mehr einfach irgendwo abstellen oder hinwerfen?

Fuhr: In der Wirtschaft ist das am besten ausprobierte Mittel, einfach mit Pfand zu arbeiten. Wir haben in Frankfurt überhaupt kein Problem mehr mit rumliegendem Zeug, weil ich werde ich ja sozusagen dafür belohnt, wenn ich es zurückbringe, weil ich Geld dafür bekomme. Das ist die eine Seite. Die andere Sache ist: Ich könnte ja auch als Hersteller sagen: 'Immer, wenn du das Fahrzeug genau dort abstellt, kriegst du einen oder drei Freikilometer.' Das heißt, man muss die Nutzer, die ja letztendlich die Verantwortlichen sind, dazu bringen, dass sie kapieren, dass es so nicht weitergeht. Weil im Prinzip schaden sie sich ja auch selbst. Ein herumliegender E-Scooter ist ja eine Gefahr für den E-Scooter-Fahrer selbst.

hr-iNFO: Können Sie sich vorstellen, dass zum Beispiel auch in Frankfurt, Kassel oder Gießen darüber abgestimmt wird, den E-Roller-Verleih zu verbieten?

Fuhr: Lassen Sie uns als Frankfurter die Probleme besser so lösen, wie es die Frankfurter eigentlich immer recht gut hinkriegen: Wir sollten so eine Art E-Scooter-Fest machen. Wir sollten versuchen, dieses Thema zum Teil der städtischen Verhaltensweise zu machen oder, was am allerbesten funktioniert, sollte man es vielleicht einfach umdrehen mit paradoxer Intervention und sollte sich vielleicht an eins, zwei Tagen im Jahr zu einer schönen Verkehrssicherheitsaktion hinreißen lassen.

Denn wir werden mit diesen Dingern noch weithin leben müssen, weil eben auch der Erfolg der Nutzung eine deutliche Sprache spricht. Nur das Regelwerk und entsprechende Sorgfaltspflichten sind halt schwierig, wenn man mit dem E-Scooter nachts um halb drei, vielleicht auch noch betrunken, nach Hause fährt. Da wird gerade noch der letzte Meter geschafft und dann fällt man von dem Roller ab und lässt den da liegen. Das ist auch ein schönes Beispiel, wo man vielleicht nochmal Geld für Forschung ausgeben sollte.

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Das Gespräch führte Gerd Kuhn.

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Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 3.4.2023, 9 bis 12 Uhr

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Quelle: hr-iNFO