Eine Ärztin hält ein Stethoskop an die Brust eines Kindes, das hustet.

Erst Corona, jetzt heftige Infektionswellen, dazu Personalmangel. Ärztinnen und Ärzte sind im Dauerstress. Richtig viel ist aber derzeit vor allem in den Kinderarztpraxen los. Die Zahl der Erkältungskrankheiten ist besonders hoch. Eltern geben sich mit ihren kleinen Patienten die Klinke in die Hand. Aber auch die Kliniken stehen an der Belastungsgrenze.

Etwas schüchtern sitzt die kleine Maja mit ihrem roten Anorak auf der Behandlungsliege. Vor ein paar Tagen erst war sie mit Verdacht auf eine Lungenentzündung im Krankenhaus, aber jetzt geht es ihr "schon ein bisschen besser", wie sie sagt. Weil das Fieber aber zurückkam, ist Vater Fabio nun doch wieder bei der Ärztin gelandet. Und er ist nicht der einzige, wie er erzählt: "Wir kriegen es gerade im Kindergarten mit, denn wir haben drei Kinder und irgendwie haben alle Kinder im Kindergarten gerade Bronchitis, Lungenentzündung, irgendein Virus."

Bis zu 100 kleine Patienten muss Soraya Seyyedi am Tag in ihrer Praxis in Wiesbaden behandeln. Die Infektwelle ist dieses Jahr schon viel früher und viel intensiver losgegangen, sagt sie: "Seit Oktober geht das in einem durch und sie sehen einen Patienten nach dem anderen. Und wenn sie denken: 'Oh, jetzt haben sie aber die Tagesliste geschafft', dann kommt schon noch der nächste und die sind halt sehr, sehr schwer krank, Eltern sehr besorgt und dann haben sie drei Minuten Zeit pro Kind, wenn überhaupt. Und sie wollen ja auch nicht, dass Kinder, die 40 Fieber haben, ein oder zwei Stunden warten."

Weniger Betten, weniger Personal

Sehr viele Kinder erkranken derzeit an der echten Grippe. Die Influenza A hat laut Robert-Koch-Institut schon jetzt ihren Höhepunkt erreicht. Aber auch andere Viren breiten sich gerade viel früher aus als üblich: "Was wir zusätzlich haben, sind RS-Viren", sagt Kinderärztin Seyyedi. "Das sind Erkrankungen, bei denen die Bronchen zugehen. Die Kinder kriegen sehr schlecht Luft, teilweise müssen sie auch eingewiesen werden in die Klinik. Die Kliniken sind auch rappelvoll. Und wir sind wirklich am Rande unserer Möglichkeiten."

Gerade die Kinderkliniken haben in den letzten Jahren aufgrund von Sparmaßnahmen ihre Bettenkapazität stark abgebaut. Das müssen die Arztpraxen nun zusätzlich auffangen, sagt Ralf Moebus, Vorsitzender des Hessischen Kinder- und Jugendärzteverbands: "Das heißt, Kinder werden früher entlassen, das heißt, wir haben es mit schwer erkrankten Kindern zu tun, die wir bei uns in den Praxen behandeln müssen."

Corona, Personalmangel und jetzt die steigenden Infektzahlen. All das treffe auf ein überlastetes Gesundheitssystem. Und eine Besserung ist nicht in Sicht, erklärt Moebus: "Das große Problem ist, dass wir trotzdem in der Politik zu wenig wahrgenommen werden. Natürlich werden die Kliniken in erster Linie wahrgenommen. Dort ist die Situation genau die Gleiche. Dort ist es ja nicht anders als bei uns. Denen fehlt das Personal, uns fehlt das Personal. Und wenn wir sehen, dass die Wertschätzung so gering ist, dann sehe ich sehr, sehr schwere Zeiten auf die Kinder und Jugendlichen in Hessen und auch bundesweit zukommen."

In den Kliniken ist die Lage ebenso dramatisch

In der Kinderklinik in Darmstadt hat sich die Überlastung schon vor vier Wochen bemerkbar gemacht: Tina Laskaroglou kam mit ihrem vierjährigen Sohn in die Klinik, weil kein Medikament mehr gegen die Erkältungssymptome half: "Also, da wurd uns ein bisschen anders. Ganz ehrlich. Und dann mussten wir erstmal bleiben. Und haben dann auch lange gewartet, sehr lange gewartet, aufgrund der Situation."

Denn die Betten in der Kinderklinik waren in diesem Moment schlicht belegt, erzählt Sebastian Becker, Chefarzt der Kinderklinik Darmstadt: "Der Stand jetzt ist - gerade wo wir hier sprechen -, dass wir zwei Kinder im Haus haben, für die wir kein Bett haben und wir auch auf der Intensivstation aktuell alle Plätze belegt und aktuell keine Beatmungsplätze haben."

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Eine aktuelle Umfrage durch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin zeigt, dass 43 von 110 Kliniken gerade kein einziges Bett auf der Normalstation mehr frei haben.

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So sieht es nicht nur in Darmstadt, sondern in ganz Deutschland aus. Chefärzte wie Becker in Darmstadt müssen in solchen Situationen kreativ sein: "Wir können nur weiter so vorgehen, dass wir schauen, dass wir unsere Kapazitäten insofern freischaufeln, dass wir selektive Untersuchungen absagen, selektive Operationen absagen, versuchen, Personal aufzustocken und eben entsprechenden Möglichkeiten zu geben, um mehr Kinder aufnehmen zu können."

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