Viele Kitas haben derzeit einen enormen Personalmangel

Weil der Krankenstand derzeit enorm hoch ist, befinden sich viele Kitas im Notbetrieb. So schlimm wie jetzt sei der Personalmangel noch nie gewesen, heißt es aus den Einrichtungen. Ein Beispiel aus Allendorf im Landkreis Gießen zeigt: Die Lage stellt Eltern und Erziehende vor große Herausforderungen. Und lässt sie zu ungewöhnlichen Mitteln greifen.

Husten – das ist derzeit die alltägliche Geräuschkulisse in der Kita Allendorf im Landkreis Gießen. Die Lage ist hier aktuell so dramatisch wie nie. Fast die Hälfte des Personals ist krank. Eine, die sich noch wacker hält, ist Erzieherin Isa Weber: "Seit einem halben Jahr geht das so und seitdem versuchen wir alles Mögliche zu machen, um den Kindergarten ansatzweise aufrecht zu erhalten - über Notgruppen und Schließungszeiten."

Jetzt gegen 13 Uhr sind viele Kinder schon abgeholt worden. Denn die Kita ist im Notbetrieb. Für die ganz Kleinen unter drei gibt es an drei Tagen in der Woche keine Nachmittagsbetreuung. Auch bei den über Dreijährigen schließt die Kita früher. Nach 15 Uhr gibt es nur Akut-Betreuung. Eine Belastungsprobe für die Eltern, das berichtet auch eine Mutter, die gerade ihr Kind abholt: "Es ist natürlich schon schwer als Berufstätige, das unter einen Hut zu bekommen. Auch fürs Kind, dass die Gruppen aufgeteilt werden. Oder dass dann kurzfristig mitgeteilt wird, dass die Kita zu bleibt. Das ist dann schon eine Herausforderung."

Aktuelle Krankheitswelle ist "nur der Brandbeschleuniger"

Doch nicht nur die Kita Allendorf ist betroffen. Auch bei den anderen Kitas der Lebenshilfe Gießen, immerhin der zweitgrößte Kita-Träger im Landkreis, sieht das ganz ähnlich aus. Teils müssen Kitas tageweise ganz geschlossen bleiben. Dirk Oswald, Vorstand der Lebenshilfe, sagt: "Wir haben das noch nie in der Form in so vielen Einrichtungen wie jetzt gehabt, dass wir Gruppen zusammenlegen müssen, Zeiten kürzen müssen und so einen Personalmangel haben. Das gab es in dieser Form noch nie." Und: Die Diagnose träfe wohl auf ganz Hessen zu, so der GEW Hessen auf Anfrage. So schlimm wie jetzt sei es noch nie gewesen. 

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„Inzwischen gibt es einen höheren Personalmangel bei den Erziehern als in der Pflege.“ Dirk Oswald, Vorstand Lebenshilfe Gießen Dirk Oswald, Vorstand Lebenshilfe Gießen
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Aber warum ist das so? Die aktuelle Krankheitswelle sei nur ein Brandbeschleuniger, meint Oswald. Die Ursache sieht er wo anders: "Der Hauptgrund liegt darin, dass wir einen riesigen Personalmangel an Erziehern haben. Inzwischen gibt es einen höheren Personalmangel bei den Erziehern und den pädagogischen Kräften als in der Pflege." Parallel werde die Betreuung stark ausgebaut. Es fehlten hunderttausende Betreuungsplätze, die nach und nach geschaffen würden. "Aber das Personal wird nicht ausgebaut."

Ungewöhnliche Sofortmaßnahme

Die Ausbildungsbedingungen seien zu unattraktiv, um genug Nachwuchs heranzuziehen. Vor allem ist das Problem schon jetzt da. Die Lebenshilfe setzt deswegen auf eine ungewöhnliche Sofortmaßnahme: Sie holt Fachkräfte aus dem Ausland, um die klaffenden Personallöcher zu stopfen. "Das gab es bei pädagogischen Fachkräften noch nie", sagt Oswald. "Wir sind bundesweit einer der ersten Träger, die das machen.  Aus der Pflege kennt man das - und wir werden das im nächsten Jahr probieren und 15 Fachkräfte aus der Türkei und Südamerika holen, die dort eine sehr gute Ausbildung absolviert haben."

Zudem würde Oswald gerne akut Quereinsteiger einstellen. Aber das sei ganz schön kompliziert. Eine Ausnahmeregelung des Landes Hessen sei ausgelaufen. In der Kita Allendorf geht die Hängepartie deswegen erst mal weiter. Wann der Notbetrieb endet? Das weiß keiner. Die stellvertretende Kitaleiterin, Daniela Keil, hat da ein spezielles Motto: "Wir schaffen das. Wir kriegen es irgendwie hin. Aber es ist anstrengend. Das auf jeden Fall.“

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