Kinder sitzen mit einer Erzieherin an einem Tisch und schauen ein Bilderbuch an

Mehr als die Hälfte der Erziehenden in Deutschland sagt laut einer aktuellen Studie, dass sie den Bedürfnissen der Kinder nicht gerecht werden können. Besonders betroffen seien Kitas in ärmeren Wohnvierteln. Dabei kann eine gute Frühforderung Defizite ausgleichen und einen guten Start in die Schule ermöglichen. Wie schwer das jedoch ist, zeigt sich in einer Kita im Frankfurter Stadtteil Nied.

Nimet Atak sitzt entspannt und lächelnd mit den Kindern der gelben Gruppen im Morgenkreis. Es ist ziemlich leise, nach den Sommerferien ist die Kita noch nicht voll besetzt. Sind alle da, tummeln sich hier 144 Kinder, sprechen und schreien in 20 verschiedenen Sprachen. Sie habe Zeit für Qualitätsarbeit, erzählt Nimet mir, als zusätzliche Sprachfachkraft, die bisher über das "Bundesprogramm Sprachkitas" bezahlt wird. 

Rund 20 Stunden in der Woche tingelt sie also von Gruppe zu Gruppe, liest und singt mit den Kindern. Sie will damit den Wortschatz derjenigen erweitern, die noch Deutsch lernen. Das ist purer Luxus, erzählt mir die 43-Jährige, die Türkisch, Deutsch, Englisch, Französisch und etwas Arabisch spricht. Der Alltag im Kindergarten sehe häufig ganz anders aus.  

Höchster Anstieg an krankheitsbedingten Ausfällen

"Im Alltag verschwinden viele kleine Dinge", sagt sie. Normalerweise seien immer zwei Erzieher in einer Gruppe, aber durch Krankheit, Urlaub oder Qualifikationsmaßnahmen sei es manchmal nur ein Erzieher für 21 Kinder. "Und da kommt man nicht mehr zu dem qualifizierten Teil, was sich Eltern oder eigentlich alle wünschen."

Die Arbeitsbelastung und das Stressniveau von Erziehenden sind enorm. Das zeigen viele Studien. Die Pandemie hat das verschärft. Im Vergleich zum Vorjahr stiegen die krankheitsbedingten Ausfälle um 13 Prozentpunkte. Keine andere Berufsgruppe hatte einen derartigen Anstieg an Krankheitstagen. Deshalb ist oft nur das Notwendigste machbar: "Man wickelt die Kinder, wenn sie sich mal in die Hosen gemacht haben. Muss man die Hosen wechseln, dann ist die Gruppe hier manchmal vielleicht auch alleine, wenn die Erzieherinnen mit dem Kind beschäftigt sind. Oder wenn ein Kind erbricht." Das seien alles Aspekte, aufgrund derer man immer wieder nicht zum qualifizierten Teil des Tages kommen könne.

Erziehende empfinden hohen Zeitdruck

Erziehende empfinden hohen Zeitdruck, das gaben 69 Prozent der Befragten einer aktuellen Studie an. 81 Prozent klagen demnach über zu geringen Verdienst, 32 Prozent würden gerne ihre Arbeitszeit verringern. Erziehende sind gefordert von 7 Uhr morgens bis 17 Uhr abends, weiß Kitaleiterin Regina Kuhn. Seit zehn Jahren managt und coacht sie das Team mit großer Leidenschaft. Einfach mal nichts tun gehe hier nicht.  

"Wenn das Kind mich anspricht, ist das Kind im Fokus", sagt Kuhn. Das sei das Anstrengende an der ganzen Geschichte: "Ich kann zu dem Kind nicht sagen: 'Nee, jetzt nicht oder ich bearbeite diese Akte morgen'. Nein, das ist jetzt aktuell beim Kind und es ist wichtig, dem Kind dann auch in diesem Moment seine Fragen zu beantworten." 

Manche sehen Kindeswohl in Gefahr

Erziehende beeinflussen ganz wesentlich die Zukunftschancen der Kinder. Sie leiden: Darunter, dass sie ihren eigenen Ansprüchen und denen der Kinder nicht gerecht werden und darunter, dass sie Kinder oft nicht mehr so beaufsichtigen können wie vorgeschrieben. In vielen Bundesländern können Kitas den empfohlenen Fachkräfte-Kind Schlüssel nicht mehr einhalten, sowohl bei den unter Dreijährigen als auch bei den über Dreijährigen. Manche gehen sogar so weit zu sagen, das Kindeswohl ist in Gefahr.  

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