Die Flaggen von Deutschland und Polen

Vor 50 Jahren haben Deutschland und Polen diplomatische Beziehungen aufgenommen. Eine wirkliche Freundschaft hat sich zwischen den beiden Staaten jedoch nie entwickelt. Vor allem auf politischer Ebene sind die Beziehungen angespannt, wie die jüngste Diskussion um Reparationszahlungen zeigt. Für Polen, die hier leben, ist das ein schwieriger Zwiespalt.

"Es war schon mal besser", sagt Michael Kochanski. "Ich kenne die Zeiten, wo die Leute auf meiner Arbeit gesagt haben: 'Ihr in Polen macht das toll.' Und als demokratisches Land sind wir auch schnell vorwärts gekommen. Und mittlerweile habe ich den Eindruck: Wir kehren zurück." Kochanski wohnt seit über 30 Jahren in Deutschland. In seinem Wohnzimmer in Griesheim bei Darmstadt hat er die aktuellsten Ausgaben des Magazins "twoje miasto" (Deine Stadt) auf dem Tisch ausgebreitet. Das Magazin gibt er selbst heraus. Darin werden polnische Veranstaltungen in der Region angekündigt.

"Krasse Gegensätze"

Neben Michael Kochanski sitzt Bogumil Palka. Er interessiert sich sehr für die polnisch-deutschen Beziehungen. Seine Bestandsaufnahme: "Wenn wir bei der gesellschaftlichen Ebene ansetzen - diese unzähligen Städte-Partnerschaften, unzählige deutsch-polnische Ehen, das spricht dafür, dass die Beziehungen zwischen Deuschland und Polen sehr gut sind. Die gleiche Sprache spricht die Wirtschaft." Dann gebe es aber eben auch die politische Ebene. Und da laufe es gerade schlecht. "Diese Skrupellosigkeit der polnischen Regierung, von der das betrieben wird, ist schon erschreckend", sagt Palka.

Damit meint der Familienvater aus Griesheim vor allem die Debatte um Reparationszahlungen: 1,3 Billionen Euro für im Zweiten Weltkrieg entstandene Schäden fordert die polnische Forderung in Richtung Deutschland. Und aktuelle Umfragen zeigen: Mehr als die Hälfte der polnischen Bevölkerung findet das richtig. Bogumil Palka seufzt. "Auf der einen Seite weiß ich um die Stimmung in Polen und auf der anderen Seite weiß ich, wie unbegründet das ist. Vor allem, wie das argumentiert wird in Polen. Es wird gesagt, dass Deutschland die Geschichte nicht aufarbeitet. Und ich bin Bildungsdeutscher und weiß, dass es nicht stimmt. Das sind krasse Gegensätze, die auf einen einwirken. Polen ist und bleibt meine Heimat. Aber mein Zuhause ist Deutschland. Und es ist nicht schön, wenn die Heimat das Zuhause so grob angeht."

Enttäuschung auf beiden Seiten

Elzbieta Heller drückt sich da vorsichtiger aus. Die 65-Jährige leitet den deutsch-polnischen Kulturverein Salonik in Darmstadt. Sie sagt über die aktuelle Situation: "Die Deutschen sind enttäuscht, aber Polen auch. Die Deutschen deswegen, weil in Polen politisch gar nichts voranging seit 2004. Das ist ein großes Problem. Und auch ich als Polin bin enttäuscht, dass die Deutschen über die Jahre auch nicht gelernt haben, uns zu verstehen. Warum wir so patriotisch sind." Sie verweist auf die Geschichte Polens, das immer wieder um seine Unabhängigkeit gerungen hat. Den Schlüssel zu besseren Beziehungen zwischen beider Länder sieht sie im Schulunterricht: Man müsse Europäische Geschichte stärker vermitteln.

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„Wichtig ist: Die Geschichte nicht vergessen, aber in die Zukunft denken.“ Michael Kochanski Michael Kochanski
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Michael Kochanski aus Griesheim dagegen plädiert für den Blick nach vorne. "Wichtig ist: Die Geschichte nicht vergessen, aber in die Zukunft denken. Das ist mein Motto. In Polen geht es viel ums Geld, das Wirtschaftliche. Aber das Leben besteht nicht nur daraus. Das Leben besteht aus Gemeinschaft und ich glaube, das hat man in Polen in diesem ganzen Aufschwung vergessen." Was den polnisch-deutschen Beziehungen wirklich gut tun würde, wäre ein Regierungswechsel – weg von der nationalistischen Pis-Partei, glauben Michael Kochanski und Bogumil Palka. Und deshalb schauen sie umso gespannter auf die Wahlen im Herbst 2023.

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