Warum die Corona-Lage in China wieder eskaliert ist

Im Dezember hat China seine Null-Covid-Strategie aufgegeben. Seitdem wird das Land von einer heftigen Corona-Welle erschüttert. Wie konnte die Lage wieder so eskalieren? Und besteht auch in Deutschland Grund zur Sorge? hr-iNFO-Wissenschaftsredakteurin Cornelia Eulitz beantwortet die wichtigsten Fragen.

Notaufnahme eines Krankenhauses in Peking
Notaufnahme eines Krankenhauses in Peking Bild © picture-alliance/dpa
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Welche Erklärungen hat die Wissenschaft dafür, dass die Corona-Lage in China wieder so eskaliert ist?

Dort sind mehrere Aspekte zusammengekommen. Die Omikron-Unterlinien, die dort zirkulieren, sind auch auch bei uns bekannt - allerdings sind wir mittlerweile viel immuner als die chinesische Bevölkerung. Die Menschen dort sind zwar auch geimpft, aber zum großen Teil nicht ausreichend. Die chinesischen Impfstoffe können Omikron-Infektionen nicht verhindern. Das Problem haben unsere Impfstoffe auch, aber es wurde auch zu wenig nachgeimpft, um einen Schutz vor schweren Verläufen zu erreichen.

Es gibt dazu eine große Impflücke ausgerechnet bei den Alten. Und das Virus trifft dort auf eine Bevölkerung von 1,4 Milliarden Menschen, von denen – wegen der Null-Covid-Politik - nur ein verschwindend geringer Anteil eine Infektion durchgemacht hatte. 

Welchen Impfschutz bieten denn die chinesischen Impfstoffe überhaupt? 

Verimpft wurden ja hauptsächlich Impfstoffe von Sinopharm und SinoVac. Das sind Totimpfstoffe mit deaktivierten Viren. Die wurden am Anfang auch in vielen Entwicklungsländern eingesetzt. Und die haben vor Omikron leidlich gut vor schweren Verläufen geschützt.

Aber es hat sich bei der schweren Welle in Hongkong gezeigt, dass das bei Omikron mit zwei Impfungen gar nicht funktioniert. Eine Basisimmunisierung braucht bei diesen Impfstoffen eigentlich drei Dosen. Und die Impfung mit den Totimpfstoffen muss – wie bei der Grippeimpfung – regelmäßig aufgefrischt werden, sagen Experten. Deshalb bräuchten die Menschen eigentlich sogar eine vierte Impfung. 

Sind die Impfquoten in China denn so schlecht? 

Über 90 Prozent der Bevölkerung sind zwar geimpft, aber eben nur ein bis zwei Mal. Und das reicht nicht. Das hat ja auch bei uns nicht gereicht. Und gerade bei den Älteren gibt es diese großen Lücken. Das sind 260 Millionen Menschen. Ein Drittel der über 60-Jährigen und fast zwei Drittel der über 80-Jährigen haben keine dritte Impfung. Also gerade die, die es am nötigsten bräuchten - und das in einem Land, in dem die medizinische Versorgung überhaupt nicht mit unserer zu vergleichen ist. 

Bei uns waren die Alten ja immer die wichtigste Zielgruppe für die Impfungen. War das in China anders? 

Ja, da war zunächst mal die arbeitende Bevölkerung dran, die unter 60-Jährigen, weil man vor allem das Arbeitsleben aufrechterhalten wollte. Die Impfstoffe wurden auch erstmal gar nicht an Älteren getestet. Bei den älteren Chinesen gibt es sowieso ein großes Misstrauen gegen Impfungen. Dadurch hat sich wohl auch der Glauben festgesetzt, dass die Impfstoffe für Alte nicht sicher sind. Und in der Phase der Null-Covid-Strategie hat man wohl auch gedacht, eine Impfung ist nicht so wichtig, weil es eben kaum Infektionen gab. Und das ist jetzt ein echtes Problem. 

Das heißt, die Null-Covid-Strategie ist jetzt auch einer der Gründe, warum die Infektionen so durch die Decke gehen? 

Genau. Die chinesische Bevölkerung hat seit Beginn der Pandemie quasi überhaupt keine natürliche Immunität durch Infektionen aufbauen können. Der britische Wissenschaftler Paul Hunter hat da auch von schlechtem Timing gesprochen, weil die Impfkampagne in China dadurch verpufft ist. Bei uns ist das anders gelaufen, da wurde die Immunität unter dem Schutz der Impfungen aufgebaut. Die chinesische Regierung spricht in einer neuen Impfkampagne jetzt zwar nochmal gezielt die Alten an, aber das ist ein Rennen gegen die Zeit. 

Seit diesem Montag ist China eingestuft als Virusvariantengebiet, in dem eine besorgniserregende Virusvariante aufzutreten droht. Damit verbunden ist eine Testpflicht bei der Einreise. Wie wahrscheinlich ist es, dass dort Varianten entstehen, die uns gefährlich werden können? 

Die Europäische Seuchenschutzbehörde sagt, bislang zirkulieren in China nur Varianten, die auch bei uns umgehen - und die sind für uns auch keine neue Herausforderung. Die Frage ist, ob das so bleibt, weil es bei vielen Infektionen zu mehr Mutationen, also zu Kopierfehlern, kommt.  Problematisch wäre es, wenn zum Beispiel eine neue Immunfluchtvariante entstehen würden. Aber das ist nach Ansicht von Wissenchaftlern wie Isabella Eckerle von der Uni Genf eher unwahrscheinlich, weil die Bevölkerung quasi keinen Immunschutz hat, der das nötig machen würde. Gerade breitet sich ja in den USA die Variante XBB 1.5 aus, die den Vorteil hat, dass sie noch leichter übertragbar ist. Deshalb ist das Monitoring allgemein extrem wichtig 

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Sendung: hr-iNFO "Aktuell", 9.1.2022, 6 bis 9 Uhr

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Quelle: hr-inforadio.de/csi