Ein Junge kauert sich auf seinem Bett zusammen.

Die psychischen Probleme bei Kindern und Jugendlichen sind während der Pandemie gestiegen. Die Therapeuten sind am Limit, die Wartezeiten entsprechend lang. Es brauche jetzt kluge Ideen, um den Jüngsten in der Gesellschaft zu helfen, fordern Experten. Erste Ansätze gibt es in Hessen bereits.

"Lange, lange Wartezeiten, viel Nachfrage": So kommentiert Heike Winter, Präsidentin der hessischen Psychotherapeutenkammer, den Alltag in den Kinder- und Jugendpraxen. Junge Patienten müssen durchschnittlich ein halbes Jahr auf eine Therapie warten, obwohl die Therapeuten ihre Behandlungsstunden erhöht haben.

Das zeigt die bundesweite Befragung von Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten von Maria Plötner, Psychologin der Universität Leipzig. "Das scheint so zu sein, dass die erhöhten Anfragen dazu geführt haben, dass die Kolleginnen und Kollegen erstmal versucht haben, das mit mehr Behandlungsstunden abzufedern, was aber nur zu einem gewissen Maße ging. Es wurden hauptsächlich mehr Erstgespräche angeboten, um diesen ersten Bedarf erstmal abzufangen", so Plötner.

Deutlich mehr Störungen wie Ängste und Depressionen

Depressionen, Angststörungen, Medienabhängigkeit und Essstörungen treten Plötners Studie zufolge jetzt sehr viel häufiger auf. Ein weiteres Ergebnis: Bei der Hälfte der Patientinnen und Patienten haben sich die Symptome durch die Pandemie verschlechtert. Und bei den Familien scheint der Leidensdruck größer geworden zu sein, sagt Psychologin Plötner. Therapien würden seltener abgebrochen und Eltern kooperierten besser.

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Kinder und Jugendliche in der Krise: Behandelnde Ärzte und Therapeuten berichten

Tränden kullern die Wangen eines Kindes herab
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Ein drängendes Problem sei oft, dass Kinder nicht mehr in die Schule wollten, sagt die Präsidentin der Psychotherapeutenkammer Heike Winter. "Die Eltern sehen, wie schlecht es dem Kind geht. Die sehen jetzt nach dem Lockdown auch, dass wieder Präsenzschule stattfindet und die Kinder nicht zurück können in die Schule, weil sie sich so fürchten und so starke soziale Ängste haben, dass sie das nicht schaffen - und sie finden keinen Behandlungsplatz."

Erste Lösungsansätze in Hessen

Wie lassen sich nun konstruktive Lösungen finden für den Mangel an Psychotherapieplätzen? Studienautorin Maria Plötner schlägt vor, in solchen Phasen, in denen der Bedarf besonders hoch ist, Privatpraxen ins Boot zu holen. Dann wären auch bestimmte Spitzen besser abfederbar, sagt sie.

In Hessen gibt es dazu erste Ansätze. Befristet auf zwei Jahre können bislang im Krankenhaus tätige Kinder- und Jugendtherapeuten oder solche mit Privatpraxis psychotherapeutische Angebote über die Kassen abrechnen. Aber: Nicht nur bei der Therapie, auch bei der Prävention müssten wir ansetzen, sagt Maria Plötner: "Wenn wir es schaffen würden, dass gar nicht erst so viele Kinder und Jugendliche überhaupt in die Situation kommen, das volle Störungsbild einer psychischen Störung zu entwickeln, wäre das natürlich ideal."

Mehr Prävention nötig

Dazu bräuchte es niedrigschwellige Angebote vor allem an den Schulen. Darin sind sich Fachleute wie Maria Plötner und Heike Winter einig. "Da müsste auch in den Schulen mehr passieren, dass Kinder lernen, was kann ich für mich selbst tun, wenn es mir schlecht geht, wie kann ich mit meinen Ängsten umgehen, was können wir auch als Klasse machen? Wie kann ich mit Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, also depressiven Symptomen und Überforderung umgehen?" 

Das würde Kinder und Jugendliche nicht nur in Pandemiezeiten stärken. Mehr Stellen für Schulpsychologen und Sozialarbeiterinnen wären also eine wichtige staatliche Investition. 

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