Roswitha pflegt Kurt seit sieben Jahren. Rund um die Uhr. Ihren Beruf musste sie aufgeben und auch sonst verzichtet sie auf vieles, was das Leben ausmacht.

In Deutschland werden etwa 80 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause gepflegt - häufig von Angehörigen. Für viele ist das ein Fulltime-Job, der schnell überlasten kann. Es gibt zwar Hilfe, doch viele wissen davon gar nichts - und die bürokratischen Hürden sind hoch.

Kornelia Bratz pflegt ihren Mann seit einem Schlaganfall vor sechs Jahren. "Ich mache das komplett alleine", sagt sie. Einen Pflegedienst zu engagieren sei schwierig: Fremde und immer wieder neue Pflegerinnen, das mache ihr Mann nicht mit. Als er 2016 plötzlich zum Pflegefall wurde, hatte sie noch gearbeitet.

Viele kennen die Hilfsangebote nicht

Als er heimkam, habe sie jedoch aufhören müssen zu arbeiten: "Das war nicht zu schaffen, ich konnte nicht arbeiten und meinen Mann betreuen. Also da gab's kein Leben nebenbei, ich habe meinen Garten aufgegeben, ich habe meine Arbeit aufgegeben." Freundschaften, Ausgehen, Wegfahren - all das falle hinten runter, erzählt sie. Auch finanziell sei es schwer. Besonders belastend aber: Kornelia Bratz kümmert sich nicht nur tagsüber, sondern auch nachts um ihren Mann. "Das ist ein Fulltime-Job", sagt sie.

Andererseits: Ihren Mann in ein Heim zu geben, komme gar nicht in Frage, sagt sie. Und so geht es vielen in Hessen: Über 300.000 Pflegebedürftige gibt es – und die allermeisten werden zu Hause von Angehörigen gepflegt, sagt Philip Stielow vom Sozialverband VdK Hessen-Thüringen: "80 Prozent der Menschen in Deutschland und auch Hessen werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. Das Problem ist - es gibt Hilfen, viele wissen aber gar nicht, welche Hilfen es gibt. Und da sie die Hilfen nicht kennen, rufen sie sie nicht ab, und weil sei sie nicht abrufen, sind sie vollkommen überfordert."

Ein Drittel kurz vor dem Kollaps

Das zeige auch eine aktuelle Umfrage des VdK unter pflegenden Angehörigen. Ein Drittel habe angegeben, am Limit oder kurz vor dem Kollaps zu sein, sagt Philip Stielow. Er fordert, die Hilfen müssten vor allem unbürokratischer und übersichtlicher organisiert werden. Pflegende Angehörige bräuchten etwas Vergleichbares wie das Elterngeld, damit sie eine gewisse Zeit finanziell abgesichert und gar nicht mehr oder weniger Arbeit könnten.

Und: Viele Menschen wüssten nicht, dass sie als Pflegende auch einen Anspruch auf Reha haben, sagt Stielow. "Damit sie es auch schaffen zu pflegen und nicht - wie viele pflegende Angehörige - selbst zu Pflegefällen zu werden, weil sie kollabieren. Das ist eine weitere Forderung von uns."

"Irgendwann ist die Kraft weg"

Kornelia Bratz spürt nach sechs Jahren Pflege, dass es so nicht dauerhaft weitergehen kann. Deshalb hat sie in ihr Haus eine junge Familie mit Kindern genommen. Die sollen sie nach und nach bei der Pflege ihres Mannes etwas entlasten. Auch, weil sie etwas machen will, was sie seit dem Schlaganfall ihres Mannes, gar nicht mehr konnte: sich eine mehrwöchige Auszeit nehmen.

Sie habe jetzt über den Hausarzt eine sechswöchige Kur beantragt, weil sie ziemlich fertig sei. "Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste und das zehrt schon, sechs Jahre rund um die Uhr, und irgendwann ist die Kraft weg und irgendwann ist auch die Geduld weg." Sie hofft, dass die Kur ihr etwas Entspannung bringen wird - und irgendwann nicht mehr die ganze Verantwortung auf ihr alleine lastet.

Weitere Informationen

Pflegegeld für Angehörige

  • Pflegegeld erhalten Pflegebedürftige, wenn sie mindestens Pflegegrad 2 haben und bei leichten Haushaltstätigkeiten eingeschränkt sind. Das Pflegegeld können sie an Angehörige weitergeben, die sie unterstützen. Angehörige müssen das Pflegegeld auch nicht versteuern.
  • Der Pflegebedürftige beantragt das Pflegegeld, indem er bei seiner Krankenkasse anruft - ein Arzt oder Gutachter kommt dann vorbei und prüft, ob und wenn ja welcher Pflegegrad vorliegt.
  • Pflegende Angehörige können auch Rentenpunkte erwerben: wenn der Pflegebedürftige Pflegegrad 2 oder höher hat und zehn Stunden wöchentlich an mindestens zwei Tagen zu Hause versorgt wird. Die Pflegeperson darf nicht erwerbsmäßig pflegen und nicht mehr als 30 Wochenstunden berufstätig sein.
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