Forscherin auf einem Feld mit gentechnisch veränderten Maispflanzen

Die meisten Deutschen sind eher skeptisch, wenn es um gentechnisch veränderte Pflanzen auf den Feldern geht. Befürworter hingegen meinen, damit ließen sich viele Probleme lösen: der Welthunger zum Beispiel. Aber was sagt die Wissenschaft? Wo liegen die Chancen und Risiken der Technik? hr-iNFO-Wissensredakteur Stephan Hübner hat mit einem Pflanzenzüchter und Genetiker gesprochen.

Geisenheim im Rheingau. Inmitten von Weinbergen liegt das Institut für Rebenzüchtung der dortigen Hochschule. Sein Leiter ist der Pflanzenzüchter und Genetiker Kai Voss-Fels. Eine der Fragen, die ihn aktuell beschäftigen: Soll er in seine Forschung Grüne Gentechnik integrieren? Der Klimawandel spiele eine sehr große Rolle bei dieser Überlegung, sagt er. "Wir haben es hier mit vielen Rebsorten zu tun, die traditionell besser zum Wein ausgebaut werden können, wenn sie in kühleren klimatischen Bedingungen angebaut werden. Jetzt haben wir selbst im Rheingau eine Situation, dass wir uns fragen, ob es dem Riesling langsam vielleicht zu warm wird." 

Änderungen können gezielt vorgenommen werden

Um das Wein-Kulturerbe Riesling angesichts des Klimawandels  in gewohnter Qualität zu erhalten, dabei könnte die Grüne Gentechnik eine Rolle spielen. Also die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft – oder in diesem Fall im Weinbau. "Die ganz klaren Vorteile sind, dass man die Änderungen, die man herbeiführen möchte in den Kulturpflanzensorten, gezielt vornehmen kann", sagt Voss-Fels. Die klassische Züchtung mache nichts grundsätzlich anders, nur müsse man das Ganze dabei über Umwege machen: "Das heißt, man kreuzt, man macht das über sehr viele Generationen hinweg, und vieles ist da auch dem Zufall überlassen."

Heißt: Grüne Gentechnik hat auch das Potenzial, die Züchtung neuer Nutzpflanzensorten zu beschleunigen. Und da geht es dann auch um Pflanzen, die höhere Erträge liefern oder krankheitsresistenter sind, die weniger Herbizide brauchen oder deren Früchte sich besser transportieren lassen. Oder es geht um Sonderzüchtungen mit Zusatznutzen wie besonders beta-carotin-haltigen Reis zur Vorbeugung von Vitamin-A-Mangel. 

Furcht vor ungehinderter Ausbreitung

Doch Kai Voss-Fels beschäftigen beim Abwägen auch die  Nachteile der Grünen Gentechnik. Man müsse sich überlegen: Was sind die Merkmale, die man gezielt verändern oder verbessern will. "Wir haben jetzt natürlich einfache Merkmale - Farbe oder Form von Früchten beispielsweise - die können wir sehr gut bearbeiten. Wenn wir jetzt aber an Merkmale denken wie Ertrag oder allgemeine Toleranz gegenüber Trockenstress, dann wird's wirklich schwierig. Denn da ist anzunehmen, dass da nicht nur einzelne wenige Gene, sondern hunderte bis tausende beteiligt sind."

Manchmal dürften also auch weiterhin klassische Methoden der Pflanzenzucht zu besseren Ergebnissen führen. Andere Contra-Argumente sind beispielsweise die Patentierung gentechnisch veränderter Pflanzen durch Saatgutkonzerne zulasten von Landwirten und Verbrauchern. Oder die Furcht vor der ungehinderten Ausbreitung gentechnisch veränderter Pflanzen, wenn sie erstmal auf dem Feld sind, und das mit unabsehbaren Folgen für die Biodiversität. Allerdings gibt es auch Bedenken, die sich zerstreuen lassen, stellt Kai Voss-Fels fest: "Dass beispielsweise gentechnisch verändertes Material, Pflanzen, krebserregend sind, das ist mitnichten so, das ist zumindest kein beschriebener Fall, der das belegen kann. Es gab eine Studie, die war so fehlerhaft, dass sie letzten Endes zurückgezogen werden musste. Also insofern fällt es aus Sicht der Wissenschaft teilweise schwer, diese Bedenken wirklich nachzuvollziehen."

Was also tun nun? Die Grüne Gentechnologie an sich, meint Kai Voss-Fels, sei nicht schlecht. Es käme darauf an, wofür und mit welchem Ethos man sie verwende. Durchaus möglich also, dass er die Techniken hier und da bald auch selbst einmal testet. 

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Wissenswert: Grüne Gentechnik

Vor 30 Jahren hat das Bundesgesundheitsamt erstmals Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Zuckerrüben und Kartoffeln genehmigt. Es war der Startschuss für Grüne Gentechnik auf deutschen Äckern. Bis 2012 gab es rund 200 Freisetzungsversuche in Deutschland. Seit 2013 gibt es faktisch keine legalen Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen mehr. Die bestehende Regulierung für Freisetzungsversuche erfordert ein Genehmigungsverfahren, das der Öffentlichkeit eine demokratische Beteiligung ermöglicht. Der Stopp ist u.a. das Ergebnis strikter gesetzlicher Auflagen und ein Erfolg anhaltender Proteste und breiter gesellschaftlicher Ablehnung. In anderen Ländern der EU finden weiterhin Freisetzungsversuche statt. Laut Register für gentechnisch veränderte Organismen der Europäischen Kommission wurden 2019 in der EU elf Pflanzen zu experimentellen Zwecken freigesetzt, vor allem in Spanien, Schweden und Großbritannien. In diesem Jahr sind aktuell bereits zwei Freisetzungen in Belgien und Schweden erfolgt.

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